Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Rückblick und Ausblick im Landkreis Gotha – Der Landrat Onno Eckert im Interview

Das vergangene Jahr war, international betrachtet, eines voller Verwerfungen. Mit welchen Folgen für den Landkreis?

Die Arbeitslosenzahlen sind im Landkreis zum Glück nicht explodiert. Auch hat sich die Wirtschaft gut entwickelt, trotz aller Unsicherheit, die mir in Gesprächen durchaus gespiegelt wird. Es gibt Unsicherheit beim Blick auf Perspektiven, Unsicherheit bei den Menschen. Allerdings kommt es immer darauf an, wie man mit diesen Unwägbarkeiten umgeht und was man aus der Situation macht.

Wie ist das zu verstehen?

Ich erlebe Unternehmer im Landkreis, die mit Blick auf den Generationswechsel Rückschau halten und sagen: Wenn ich auf die vergangenen 30 Jahre zurückblicke und sehe, was alles geschehen und entstanden ist, bin ich vom Ausmaß erstaunt. Und das ist richtig: Wir leben mitten in einer Startup-Region. Und das, weil sich in den 90er Jahren Menschen in einer Situation, die ebenfalls voller Unsicherheit war, ein Herz fassten und aktiv wurden. Daraus entstanden Unternehmen im Landkreis Gotha, die in ihrer Branche Marktführer sind. Wenn die Menschen vor drei Jahrzehnten nicht den Kopf in den Sand gesteckt haben, sondern sich aktiv gegen die Situation gestemmt haben, warum sollte uns das nicht auch gelingen?

Da frage ich doch gleich mal nach: Wo ist der Landkreis 2023 besonders gut vorangekommen?

Das Gothaer Land ist so facettenreich, dass sich hier die Frage stellt: Auf welchen Bereich diese Frage zielt. Ich bin als Landrat nicht nur Politiker, ich bin auch Behördenleiter. Zu meinem Tagesgeschäft gehört auch die Entwicklung im Landratsamt. Hier ist in jüngster Zeit viel passiert – zum Teil mit und zum Teil ohne Außenwirkung. Wir haben für die Kreisverwaltung einen Leitbildprozess gestartet, quasi einen Wertekonsens für unsere Arbeit.

Was bringt das für den Bürger?

Nun, wir wollen nicht nur festschreiben, wie wir untereinander umgehen und wie wir arbeiten, sondern ganz konkret festlegen, wie in den Behörden mit den Bürgerinnen und Bürgern umgegangen werden soll.

Auch die Förderung der Innenstädte haben Sie 2023 in den Fokus gerückt …

Mit dem Amt für Wirtschaftsförderung und Kreisentwicklung haben wir eine Fördermittelrichtlinie zur Stabilisierung innerörtlicher Lagen geschaffen. Im vergangenen Jahr konnten wir erste Förderbescheide ausgeben. Geld, das der Innenstadtbelebung dient. Ein wichtiger Schritt war für mich auch die Schaffung der Stelle des Kreiswegewartes durch das Amt für Wirtschaftsförderung, die mittlerweile auch besetzt ist.

Das war zuvor ein Ehrenamt, oder?

Ja. Und da wurde hervorragende Arbeit geleistet. Das will ich noch einmal besonders unterstreichen. Dass wir nun jemanden haben, der sich mit einer vollen Stelle um die Entwicklung des Radwegenetzes und der Wanderwege im Landkreis kümmert, wird bald schon Früchte tragen – für Gäste sowie Einwohnerinnen und Einwohner gleichermaßen.

Blicken wir über die Verwaltung hinaus …

… da freue ich mich, dass es zum Jahresende gelungen ist, dass sich die Gemeinde Herrenhof in die Landgemeinde Georgenthal integriert. Aus meiner Sicht hat es sich für den Landkreis Gotha bewährt, wenn sich kleinere Gemeinden in einer größeren Struktur zusammengefunden haben. Das hat deren Leistungsfähigkeit deutlich erhöht.

In naher Zukunft wächst das Gewerbegebiet Gotha-Süd bis an die Autobahn, auch das Gewerbegebiet Waltershausen wächst deutlich. Dafür braucht es Arbeitskräfte, die jetzt schon rar sind. Was tut der Landkreis im Vorfeld, um ihn interessant für Zuzug zu machen?

Wir stellen uns dieser Herausforderung. Deshalb erarbeiten wir kreisübergreifend ein Siedlungsflächenkonzept. Es macht Sinn, die Wohnstruktur über Kreisgrenzen hinaus zu betrachten. Und der Landkreis hat ja durchaus Attraktivität. In den vergangenen Jahren sind viele Menschen aus verschiedenen Gebieten, auch aus anderen Regionen Deutschlands, bei uns heimisch geworden. Jüngst habe ich mich mit dem Geschäftsführer eines Unternehmens unterhalten, der seinen Lebensmittelpunkt von Ostwestfalen zu uns verlegt hat. Er hat immer wieder betont, welches Potential in der Region steckt. Auf meine Frage, was für ihn die neue Heimat ausmacht, war die Antwort: Guckt euch doch mal um, welche Stärken die Region ausmachen, was sich hier in den letzten 30 Jahren entwickelt hat. Ihn überzeugt das Lebensumfeld. Und die Mentalität der Thüringer findet er herzlich. Er fühlt sich hier einfach angekommen.

Mit dem Thüringer Bogen haben sich der Landkreis Gotha und der Ilm-Kreis für eine gemeinsame Regionenmarke entschieden. Ein richtiger Schritt?

Davon bin ich fest überzeugt. Der Ilm-Kreis hat ja für sich schon zuvor ein Regionalmanagement betrieben, im Gegensatz zu uns. Wirtschaftsförderung wurde in der Kreisverwaltung eher stiefmütterlich behandelt. Die Position war: Das ist eine städtische und gemeindliche Aufgabe. Den Grundsatz will ich auch nicht in Abrede stellen. Allerdings ist es wichtig, die wirtschaftliche Entwicklung ebenso überörtlich zu betrachten. Deshalb ist für mich der Schritt, ein gemeinsames Regionalmanagement zu betreiben, ein ganz großer nach vorn. Außerdem erhöhte es auch die Fördermöglichkeiten durch das Land. Und wichtig ist auch, dass die Partnerschaft mit dem Nachbarkreis für beide Seiten Früchte trägt.

In diesem Jahr wird auch im Landkreis Gotha ein neuer Landrat gewählt. Treten Sie wieder an?

Ja, unbedingt! Ich will meine Arbeit für den Landkreis fortsetzen. Ich denke, ich habe in den zurückliegenden fünf Jahren einen guten Job als Landrat geleistet. Vieles wurde begonnen, Krisen für die Region solide gemeistert. Aber es gibt noch so viel zu tun. Die begonnene Arbeit fortzusetzen, dafür werde ich mit Herzblut kämpfen.

Im Wahlkampf müssen Sie sich mit Mitbewerbern auseinandersetzen, und einer davon wird mit Populismus versuchen, das Amt zu erlangen.

Das ist richtig. Ich möchte, auch als Bürger des Landkreises, dass die Verantwortung von Menschen wahrgenommen wird, die umsichtig und verantwortungsvoll handeln, die das mit Blick auf die daraus entstehenden Konsequenzen tun und die eine Strategie für die Region haben. All das würde ich populistisch geprägter Politik nicht unterstellen. Das Besondere an der Wahl wird sein, dass sie gemeinsam mit der Europawahl stattfindet. Dabei werden populistische Forderungen gegen ein geeintes Europa auch auf die Landratswahl bezogen. Unsere Aufgabe in den kommenden Monaten wird es sein, den Unterschied deutlich zu machen. Kein Landrat kann den Euro abschaffen. Und ich will das auch nicht. Bei aller, teils berechtigter, Kritik an der EU: Ich bin froh, dass die Gräben der Feindschaft zwischen europäischen Ländern, wie sie über Jahrhunderte bestanden, durch die europäische Gemeinschaft geschlossen werden konnten. Mit Blick auf die Landratswahl dürfte wichtig sein, die Dinge klar abzugrenzen. Bei der Direktwahl des Landrates und der Bürgermeister kommt es weniger darauf an, bei welcher Partei man sein Kreuzchen macht, sondern ob man der Person zutraut, klug für die Region zu agieren. Wichtig für die Wählerinnen und Wähler ist, genau auf die Personen zu blicken, die das Amt anstreben. Und sie müssen für sich herausfinden, wem zu sie zutrauen, den Landkreis voranzubringen.

Herr Eckert, danke für das Gespräch.

Bild: Landrat Onno Eckert | © Klaus-Dieter Simmen

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