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Die jährliche Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Befreiung des Außenlagers S III vom KZ Buchenwald erinnert an Leiden und Sterben tausender Menschen auf der Baustelle im Jonastal. Das nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ist Auftrag an die Generationen. Und besonders jetzt von enormer Bedeutung, da Kräfte nicht verstummen, die jene zwölf finsteren Jahre in Deutschland auf einen Vogelschiss reduzieren. Die Zahl der Zeitzeugen schwindet mehr und mehr und so ist es vor allem Aufgabe solchen Gedenkens, deren Geschichte weiterzuerzählen. Wie auch an diesem Aprilbeginn an der Gedenkstätte im Jonastal. Organisator der Veranstaltung war, wie in den Jahren zuvor, die Geschichts- und Technologiegesellschaft Großraum Jonastal, kurz Jonastalverein Arnstadt.

Für die Vereinsmitglieder sind diese alljährlichen Veranstaltungen Ehrensache. Ebenso wie sie sich die Erforschung des Sonderlagers auf die Fahnen geschrieben haben. Schon immer hat das Jonastal auch auf Hobbyhistoriker eine große Anziehungskraft. Einige begaben sich in Archive, um auf Spurensuche zu gehen, andere liefen das Gelände vor Ort ab, suchten nach Hinterlassenschaften der alten Baustelle oder Zugängen zu unterirdischen Anlagen.

„Und die setzten sich 2001 kurzerhand zusammen an einen Tisch“, sagt Georg Ribienski, „weil sie den Gedanken faszinierend fanden, ihre Kräfte zu bündeln. Die logische Konsequenz war die Gründung des Vereins.“

Vier Jahre später öffnete das erste Dokumentationszentrum Jonastal in Wölfis, wo eine alte Kegelbahn als Ausstellungsort diente. Dabei war von Anfang an geplant, dieses Zentrum in Arnstadt zu etablieren, was 2008 geschah. Das Domizil am alten Lokschuppen im Rehestädter Weg bietet mehr Möglichkeiten, die Forschungsergebnisse zu dokumentieren.

„Das entspricht auch dem Bildungsauftrag, dem wir uns verpflichtet fühlen“,

sagt Ribienski. Das Jonastal ist geheimnisumwittert. Verborgene Schätze wie das Bernsteinzimmer oder Geschichten von Wunderwaffen lassen Spekulationen ins Kraut schießen. Das Vorstandsmitglied weiß, wie viele Menschen das auf den Plan bringt, solche, die Bücher schreiben, ihre Ideen auf YouTube veröffentlichen und Filme drehen. Und damit nur eins im Sinn haben, nämlich Geld zu verdienen, Substanz sucht man vergeblich. Doch um die geht es den 19 Vereinsmitgliedern vornehmlich.

„Wir halten uns an Fakten. Und die zeigen: Im November 1944 begann man damit, Häftlinge hierher zu bringen, am Ende waren es 26.000, von denen über 10.000 im Lager ihr Leben ließen; hinzu kamen über 900 zivile Baukräfte. Die Frage ist doch: Warum das alles? Der Krieg war verloren, das musste damals auch dem verblendetsten Nazi klar gewesen sein. Wozu also dieser Aufwand?“

Eine letzte Bastion für Hitler, mitten in Deutschland, im Herzen des Vorzeigegaus? Daran will Georg Ribienski nicht so recht glauben. Mit General Hans Kammler hatte ein Mann die Oberaufsicht, dessen Aufgabengebiet ein gänzlich anderes war, nämlich die Rüstungsindustrie der Nazis unter die Erde zu bringen. Vorliegende Unterlagen beweisen, dass dem Projekt Jonastal alle anderen untergeordnet waren. Schlüssige Erkenntnisse für das tatsächliche Ziel der Bauarbeiten im Jonastal fehlen.

Allerdings finden die Besucher des Dokumentationszentrums viele Exponate, die die Grausamkeit im Alltag der Häftlinge widerspiegeln. Und sie zeigen die unmenschlichen Bedingungen, unter denen sie arbeiten mussten. Vernichtung durch Arbeit, anders könne man das nicht formulieren, sagt das Vereinsmitglied.

„Die Lebensdauer im Lager umfasste kaum mehr als zwei Monate. Die geschundenen Menschen wogen nicht mehr als kümmerliche 35 Kilogramm. Unter solchen Bedingungen mussten sie riesige Lasten schleppen, im Laufschritt, versteht sich.“

Erfreulicherweise besuchen viele Schüler den alten Lokschuppen. Und nicht wenige suchen sich hier ein Thema für ihre Seminarfacharbeit. Schriftsteller kommen und vor allem Historiker und Forscher. Für sie bietet das Zentrum ein reiches Betätigungsfeld. Sie forschen zur Baustelle oder zu ingenieur-historischen Themen. Alljährlich legt der Verein eine eigene Publikation auf, in der er seine neuesten Forschungsergebnisse zugängig macht.

Oft muss Ribienski erfahren, dass die Besucher mit sehr verqueren Vorstellungen übers Jonastal durch die Tür kommen. Sie haben ihr Wissen aus bestimmten Büchern und aus dem Internet und sind fest davon überzeugt, dass im Jonastal alle paar Meter unter der Erde oder im Berg eine große Flugzeugfabrik ist.

„Ich frage dann, wann, bitteschön, sollen denn solche Anlagen gebaut worden sein? Ende 1944 starteten die Bauarbeiten, Anfang April 1945 war Schluss, kamen die Befreier und machten dem Grauen ein Ende.“

Realität zurückzuholen in die Köpfe, ist eine wichtige Aufgabe des Dokumentationszentrums. Und die Auseinandersetzung mit dem Thema zeigt den Besuchern, es gab überhaupt keine Grundlage für das Handeln der Nazis, weder moralisch noch wissenschaftlich. Georg Ribienski beschreibt das Lagerleben in seinen Vorträgen mit deutlichen Worten. Nicht alle ertragen es, wenn er die Behandlung der Häftlinge schildert, manche verlassen gar den Raum. Seine Vorträge will er darob nicht ändern. Die Wahrheit ist oft schmerzlich, sie deshalb zu verschweigen, kann zu Entwicklungen führen, die weitaus härter sind.

Dokumentationszentrum Arnstadt

Rehestädter Weg 2c

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag, 10 bis 16 Uhr (letzter Einlass 15 Uhr)

Samstag und Sonntag, 10 bis 17 Uhr (letzter Einlass 16 Uhr)

Bild: Gedenkveranstaltung am 6. April | © Klaus-Dieter Simmen

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