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In der Mittagszeit des 11. September 1933 schlugen plötzlich hohe Flammen aus dem Dach des Gehrener Schlosses. Binnen kurzer Zeit hatte der Brand den Dachboden der Vierflügelanlage vollständig erfasst. Alle Versuche, das Feuer in den Griff zu bekommen, scheiterten. „Tja, zu retten war da nichts, leider“, sagt Luise Möller, Vorsitzende des Heimatgeschichtsvereins Gehren. „Aber in den ersten Jahren nach dem Brand wurde lange davon gesprochen, das Schloss wieder aufzubauen.“ Das blieb Wunschtraum. Und als in der Nähe 1943 ein Munitionsdepot gebaut wurde, brauchte es jede Menge Steine. So gaben die Nazis am Ende die Ruine zum Schleifen frei. Interessanterweise wurden beim Bau des Schlosses Quader benutzt, die aus dem aufgegebenen Kloster Paulinzella herangekarrt wurden.

Heute machen sich die Frauen und Männer des Heimatgeschichtsvereins erneut Sorgen ums Schloss, selbst wenn nur noch eine Ruine von dem wichtigen Gebäude in Gehrens Geschichte zeugt. „Die Umfassungsmauer bröckelt und Teile drohen einzustürzen, das haben auch Bohrungen der Denkmalpflege an den Tag gebracht“, erzählt die Vereinsvorsitzende. In diesen Tagen gerät das Schloss wieder vermehrt ins Blickfeld, jährt sich doch der Brand zum neunzigsten Male. „Auch wenn es lange her ist, Spekulationen, dass es Opfer einer Brandstiftung wurde, schießen auch heute noch ins Kraut. Dabei ist es mehr als wahrscheinlich, dass Baumängel an Schornsteinen den Brand verursachten.“ Dafür spreche aus ihrer Sicht auch, dass der Brand gegen 13 Uhr ausbrach, wo viele Töpfe auf dem Herdfeuer standen, unterstreicht die Frau.

Der 150-jährigen Verleihung des Stadtrechts gedachten die Gehrener 2005. Damals brachten sich viele Bürger in die Vorbereitung der Feierlichkeiten ein. Und sie trugen allerlei Sehenswertes zusammen, das die Geschichte ihrer Stadt widerspiegelt. Das waren so schöne und interessante Exponate, dass es ein Frefel gewesen wäre, sie nicht über das Jubiläum hinaus zu zeigen. Ein Jahr später sammelten Heide Scheibe, Ursula Beyer und Professor Helmut Wurmus viele der heimatgeschichtlich Interessierten um sich und gründeten den Verein. Natürlich gab dieser sich eine Satzung, deren erster Punkt die Gründung eines Schloss- und Stadtmuseums festschrieb. Und genau das trieben die Vereinsmitglieder mit Verve voran. Und bald schon konnte im ehemaligen Marstall das Stadt- und Schlossmuseum Gehren eröffnet werden. Lange konnten sich die Bürger und ihre Gäste daran nicht erfreuen. Anstelle des Museums lässt die Stadt dort einen Kindergarten bauen. Also musste ein neues Domizil gefunden werden. Das historische Rathaus bot sich an, zumal es als solches längst nicht mehr genutzt wird. Also packten die Vereinsmitglieder all die wertvollen Exponate sorgsam ein, während die obere Etage des alten Rathauses fitgemacht wurde für die künftige museale Nutzung. Damit sich der Kontext der Exponate dem Besucher auch erschließt, bekamen die Heimatfreunde Hilfe aus Ilmenau. Kathrin Kunze, Museums-Chefin im Ilmenauer Amtshaus, erarbeitete gemeinsam mit ihnen ein schlüssiges Konzept für die Präsentation. „Darüber sind wir sehr froh“, sagt Luise Möller, „weil sich das Ergebnis sehen lassen kann.“

Damit der Gang durchs Museum viel Wissen über die Stadtgeschichte vermitteln kann, ließ der Verein einen Audioguide erstellen. „Wir können regelmäßige Führungen mit unserem Personal nicht absichern“, erzählt die Vereinschefin, „diese Technik macht das möglich.“

Mit rund 40 Mitgliedern ist der Heimatgeschichtliche Verein Gehren gut aufgestellt. Weil der Altersdurchschnitt, wie in vielen Vereinen, hoch ist, wollen sie Nachwuchs gewinnen. Dazu wurde an der Schule eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, in der die Mädchen und Jungs ihre Heimatstadt gestern und heute erleben können. Und für kleine Besucher bietet das Museum einen besonderen Service an – jeden letzten Sonntag im Monat gibt es eine Führung ganz speziell für Kinder. Extra dafür hat Lehrerin und Vereinsmitglied Cordula Schwarz eine Handpuppe kreiert, die als „Gerni“ die Kleinen auf verschiedenen Wegen durch die Geschichte führt. Sie leitet auch gemeinsam mit Editha Wrase die Arbeitsgemeinschaft.

Die 90-jährige Wiederkehr des verheerenden Schlossbrandes ist ein guter Anlass für die Eröffnung des Museums. „Und da zeigen wir dann auch ein ganz besonderes Exponat“, verspricht Luise Möller. „Gehren hat einen ganz besonderen Schatz, nämlich ein Trinkhorn aus dem 16. Jahrhundert. Dieses etwa einen Meter große Artefakt aus dem Schloss wurde zu besonderen Anlässen verwendet.“

Neben dem Museum widmet sich der Verein auch der Herausgabe von Publikationen zur Gehrener Stadtgeschichte. Federführend hier war die bereits verstorbene Heimatforscherin Ursula Beyer. Bislang sind 28 Hefte erschienen. Das Jüngste gibt es zu den Feierlichkeiten Anfang September und widmet sich logischerweise dem Schloss.

Infos zum Stadt- und Schlossmuseum Gehren

Gedenkwochenende für das Gehrener Schloss vom 08.-10.09.2023

Bild: Foto mit Schlossmodell: So prächtig sah einst das Gehrener Schloss aus. Modellbauer Andreas Gunske hat es wieder erstehen lassen. Darüber freuen sich Luise Möller, Vereinsvorsitzende, und Vorstandsmitglied Georg Krannich. | © Klaus-Dieter Simmen

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