TU Ilmenau:

Einem Forschungsteam der Technischen Universität Ilmenau ist es gelungen, in der Nanotechnologie einen fundamental neuen, sehr materialsparenden Ansatz zur Halbleiter-Metallisierung auf Basis additiver Materialsynthese weiterzuentwickeln. Die am Fachgebiet Nanotechnologie unter der Leitung von Professor Heiko Jacobs entstandenen Forschungsergebnisse knüpfen an vorherige Publikationen zum lateralen Nanobrückenwachstum an (Advanced Materials 2016, IEEE 2018, IEEE 2020) und eröffnen nun die Möglichkeit, Metallisierungsebenen durch ein Plasmajet-Verfahren vertikal, Punkt zu Punkt miteinander zu verbinden. Die Ergebnisse wurden in der Januar-Ausgabe im internationalen Fachmagazin „Advanced Electronic Materials“ mit Cover veröffentlicht.

In ihrem Artikel zum Thema „Self-Aligning Metallic Vertical Interconnect Access Formation through Microlensing Gas Phase Electrodeposition controlling Airgap and Morphology” beschreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Fachgebiet Nanotechnologie der TU Ilmenau einen komplett additiven Ansatz der Materialsynthese für die erste Metallisierungsebene in integrierten Schaltungen auf Basis eines gerichteten elektrodynamischen Transports von Partikeln aus der Gasphase.

Dabei werden mit Hilfe eines Lichtbogens, der durch ein hohes elektrisches Feld zwischen zwei Elektroden entsteht, Nanopartikel, das heißt Verbünde von einigen wenigen bis einigen hundert Atomen mit einem Durchmesser von 0,5-5 Nanometer in Stickstoff erzeugt und in einem so genannten Plasmajet zu einem vorstrukturierten Substrat transportiert. „Wir untersuchen semiempirisch die Einflussgrößen des Plasmajets, das heißt elektrische Leistung, Gasfluss und Potentialverlauf, in Zusammenspiel mit einem strukturierten Substrat, um auf einer möglichst kleinen Fläche kleinste Partikel gezielt abzuscheiden“, erklärt Leslie Schlag, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Nanotechnologie.

Die Stickstoff-Ionen des Plasmajets laden das Substrat auf, und die Partikel können nur lokalisiert eine elektrische Verbindung vom Substrat zur ersten Metallisierungsebene wachsen, weil sie von der großen Mehrheit an Stickstoff-Ionen in die Potentialtrichter des Substrats sortiert werden. „Das kann man sich wie einen großen Gymnastikball auf einem Kinder-Bällebad vorstellen: Findet der große Ball eine Senke oder ein Loch, dann bewegt er sich dorthin“, veranschaulicht Leslie Schlag die Abscheidung. Das Wachstum erfolgt somit zentrisch in vertikalen Öffnungen, in denen die Ladung der Nanopartikel abfließen kann, und ohne Kontakt zum umgebenden Isolator. Im so entstehenden und umschließenden Luftspalt (Airgap) kann eine relative Permittivität von fast 1 erreicht werden, was dem Vakuum schon sehr nah kommt. „Das entspricht dem Minimum aller bekannten Werkstoffe und sorgt somit für sehr geringe Störkapazitäten zwischen benachbarten vertikalen Verbindungen“, so Schlag.

Ressourceneffiziente additive Materialsynthese

Auf Basis dieser neuartigen Methode erfolgt die Materialsynthese also komplett additiv, während konventionelle Halbleiter-Metallisierung meist subtraktiv erfolgt. Bei dieser herkömmlichen Methode werden mehr als 90 % des beschichteten Metalls durch Ätzen wieder entfernt. „Das heißt die Wafer werden bei konventionellen Verfahren zunächst ganzflächig beschichtet, anschließend wird jedoch der Großteil der Beschichtung wieder abgelöst oder weggeätzt und landet im Müll oder muss aufwändig wiederaufbereitet werden, was besonders bei raren, aber besonders leitfähigen Metallen wie Ruthenium oder Rhodium sehr teuer ist“, erklärt Leslie Schlag: „Hinzu kommt der angespannte Markt dieser Materialien, die größtenteils in Platinminen chinesischer Konzerne gewonnen werden, dann aber in Taiwan oder den USA für die Halbleiterfertigung oder in der deutschen Fahrzeugindustrie für Abgas-Katalysatoren gebraucht werden. Jeder Konsument trägt also aktiv zur Verknappung des Markts bei.“

Alternative zu bisherigen Methoden der Wafer-Metallisierung

In ihrer Arbeit haben die Wissenschaftler daher auch die additive Abscheidung von Ruthenium und Rhodium demonstriert. Diese Materialien besitzen unter 10 Nanometer Abmessung die beste elektrische Leitfähigkeit im Vergleich zu anderen Metallen, sind aber wesentlich seltener und in reinster Form daher teurer als Kupfer, Gold, Silber oder Aluminium. Eine additive Nutzung ist deshalb ein sehr materialsparender Ansatz. „Mit dieser fundamental neuen Methode öffnen wir eine innovative Herangehensweise, die eine Alternative zu bisherigen Technologien der Wafer-Metallisierung darstellt“, so Schlag.

Das nächste Ziel des Forschungsteams ist es, die Abscheidetemperatur zu erhöhen, um den elektrischen Widerstand der Strukturen ebenfalls auf ein marktreifes Minimum zu bringen und die aktuell demonstrierte Breite der elektrischen Verbindung von 100 auf 10 Nanometer zur reduzieren: „Für die gezeigten Strukturgrößen mussten wir auf die Shape-Beam Elektronenstrahl-Lithografie am IPHT Jena als Ressource zurückgreifen, die das schnellere Prozessieren von Wafern mit Auflösungen unter 100 nm ermöglicht.“ Dabei wurden sieben Parameter miteinander variiert und in mehr als 150 Experimenten getestet, wozu viele Substratchips benötigt wurden. Auf jedem Chip befanden sich weitere Teilexperimente in Form von Geometrievariationen. „Nun haben wir die meisten Einflussparameter verstanden und sind guter Dinge, dass wir das Ziel 10 Nanometer Interconnect in einer 50 Nanometer-Öffnung mit Hilfe der Elektronenstrahl-Lithografie in den Laboren des Zentrums für Mikro- und Nanotechnologien unserer Universität herstellen können.“

Transportphänomene erschließen neue Anwendungsbereiche

Die veröffentlichten Ergebnisse entstanden im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekte JA 1023/6-1 und STA 556/6-1 unter dem Titel „Lokalisierter Transport aus der Gasphase“, die als absolute Grundlagenforschung angesehen werden können und jegliche Transportphänomene von Partikeln verschiedener Größenskalen untersuchen –Metallpartikel, Moleküle, Bakterien, Pilzsporen, Pollen oder auch Phagen. Während der Experimente werden alle umgebenden Felder – Strömung, E-Feld, B-Feld und Temperatur – sowohl global im Reaktor als auch lokal auf dem Einfang-Substrat manipuliert. „Diese Transportphänomene werden ausgenutzt, um neue Anwendungen zu erschließen, die zu Beginn der Experimente meist noch ein anderes Ziel verfolgen, im Verlauf aber zeigen, dass sich auch andere Anwendungsbereiche erschließen lassen“, erklärt Leslie Schlag: „Die Forschung auf diesem Gebiet ist daher eher antidisziplinär zu betrachten, da sie alles umfasst und das Problem in seiner Ganzheit betrachtet. Dies macht auch den Charme dieser Forschung aus.“

Die Arbeit entstand in Zusammenarbeit mit Forschenden des Leibniz Instituts für Photonische Technologien IPHT Jena und des Instituts für Nanotechnologie und korrelative Mikroskopie INAM Forchheim und ist unter folgendem Link verfügbar: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/aelm.202200838

Weitere Publikationen zum Thema:

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/adma.201503039

https://ieeexplore.ieee.org/document/8605857

https://ieeexplore.ieee.org/document/9515654

Kontakt

Leslie Schlag, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachgebiet Nanotechnologie

Tel.: 03677 69-3230, Mail:

Bild: Die Arbeit wurde in Advanced Electronic Materials (Vol. 9, No.1, Januar 2023) veröffentlicht und als Titelbild ausgewählt. | © TU Ilmenau

Quelle: Unionline: Advanced Electronic Materials Cover: Neuartiger ressourceneffizienter Ansatz zur Halbleiter-Metallisierung

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