Regionalmanagement Thüringer Bogen:
Am Bromacker zwischen Georgenthal und Tambach-Dietharz wird wieder gegraben. Und die Welt darf zuschauen. Dass neugierige Blicke durchaus erwünscht sind, beweist schon der Eingang zur Grabungsstätte: Besucher werden willkommen geheißen und zum Ziel geleitet. Und dort stehen kundige Menschen parat, um diese in die spannende Welt an diesem Ort vor über 260 Millionen Jahren einzuführen. Eine von ihnen ist Linda Gallé vom Naturkundemuseum in Berlin. Und sie ist begeistert über die Resonanz, die das Angebot findet. „Allein am ersten Grabungstag fanden über 120 Interessenten den Weg zu uns!“
Die Ausstellungskuratorin hat sichtlich Spaß, die Gäste über das Geschehen an der Grabungsstätte zu informieren und zu erklären, dass sie sich an einem Ort befinden, der gleichzusetzen ist mit dem UNESCO-Weltnaturerbe Grube Messel und den weltweit bekannten Fundstellen in Holzmaden und Solnhofen. Für die Berlinerin ist klar, die Grabung hat neben ihrem wissenschaftlichen Wert auch einen nicht zu unterschätzenden touristischen Effekt.
Das weiß auch der Gothaer Paläontologe Tom Hübner. Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Stiftung Schloss Friedenstein führt eine mehr als 20-köpfige Gruppe. Sie sind ausnahmslos Touristen, die sich für diese Fundstelle interessieren. Zu ihnen gehört auch Familie Sebastian aus Offenbach.
Wir machen in Tambach-Dietharz ein paar Tage Urlaub und wollen uns unbedingt ansehen, was am Bromacker passiert. Und für unsere beiden Jungs ist die Welt der Saurier natürlich spannend,
sagt Vater Sebastian. Und das, obwohl es sich bei den Funden am Bromacker gar nicht um Dinos handelt. Die bevölkerten nämlich erst viel, viel später die Erde. Dass die Welt der Ursaurier nicht minder spannend ist, macht der Wissenschaftler seinen Gästen rasch klar. Die Fundstätte im Thüringer Wald ist ein Fenster, das einen Blick in die frühe Evolution der Landwirbeltiere erlaubt. Und mit jeder Grabung wird dieses Fenster weiter aufgestoßen.
Neben versteinerten Fußspuren finden die Forscher im Gestein am Bromacker ebensolche Skelette – im Ganzen erhaltene oder Teile davon. Genau das macht diesen Ort so wertvoll für die Wissenschaft. Am Ende kann aus den Fundstücken das Leben im frühen Perm rekonstruiert werden. Welchen Wert diese haben, so erfahren die Besucher vom Paläontologen, ist bei der Grabung nicht wirklich festzustellen, sondern stellt sich erst im Winter heraus, wenn die Stücke präpariert sind. Frei von allen Anhaftungen offenbaren sie dann noch manche Überraschung. Als das Leben vor knapp 300 Millionen Jahren im heutigen Thüringen pulsierte, waren nicht nur die klimatischen Bedingungen gänzlich andere, es gab auch nur einen einzigen Kontinent, nämlich Pangäa, den Urkontinent, der die gesamte Landmasse der Erde vereinte. Das beweisen auch die Funde am Bromacker. Denn die gleichen Ursaurierarten, die dort entdeckt werden, sind ebenso an Fundstellen in den USA ausgegraben worden.
Mit einem Ozean dazwischen hätten sich diese Arten nicht so verbreiten können,
erzählt Hübner seinen Gästen. Und die hören nicht nur gebannt zu, sondern stecken auch voller Fragen.
Die Grabungsmittel sind begrenzt, im Juli nächsten Jahres ist deshalb Schluss am Bromacker. Vorausgesetzt, es werden nicht neue Fördermittel bereitgestellt. Die Bedeutung der Fundstelle für die Wissenschaft wird durch jede neue Grabung unterstrichen. Immer neue Ursaurierarten werden entdeckt. Doch nicht allein die Forschung profitiert. Der Grabungsort ist touristisches Ziel. Der Saurierpfad ebenfalls. Während ersterer zeitlich begrenzt ist, wird auf letzterem ganzjährig gewandert.
Das ist für uns ein Grund, diesen Erlebnispfad attraktiver zu gestalten,
sagt Marco Schütz, Bürgermeister von Tambach-Dietharz. So soll ein Rundweg entstehen, auf dem weitere Sauriermodelle platziert werden. Mit der neuen Grabung, die 2021 begann, entstand auch der Plan, Grabungsergebnisse und Geschichte der Fundstelle am Bromacker erlebbar zu machen. Dazu soll in der Lutherkirche eine Ausstellung entstehen.
Wir sind gerade dabei, mit der Kirchgemeinde zu verhandeln. Um das Gebäude für diese Zwecke nutzbar zu machen, müssen viele Dinge in Ordnung gebracht werden. Das funktioniert, das hat eine Machbarkeitsstudie bestätigt, die wir in Auftrag gegeben haben. Für die Ausstellung liegt bereits ein Konzept vor. Und bei den Gesprächen mit der Evangelischen Kirchengemeinde sind wir auf gutem Weg. Schließlich wollen wir unsere Pläne rasch umsetzen.
Und Bürgermeister Schütz hofft, dass mit neuen Fördermitteln weitere Grabungen möglich werden.
Bild: Der Gothaer Paläontologe Tom Hübner von der Stiftung Schloss Friedenstein führt eine Gruppe Touristen über die Grabungsstätte Bromacker. | © Klaus-Dieter Simmen