Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Die Fürstin hatte einen Plan. Und den hat sie ebenso beharrlich wie akribisch verfolgt. Auguste Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt wollte eine Stadt besitzen. Nun, keine wirkliche, das wäre dann doch zu vermessen; aber eine, durch die man durchaus spazieren kann und einen Blick riskieren in die Stuben der Bewohner. Dort sollte alles zu sehen sein, was das Leben in einer thüringischen Residenzstadt ausmachte, das höfische ebenso wie das profane. Schon zu Lebzeiten von Auguste Dorothea (1666 bis 1751) wurde bestaunt, was sie liebevoll Mon Plaisir nannte, damals schon bereits gegen Entgelt.

Das ist jetzt rund 300 Jahre her. Seit dem, sagt Museumschefin Gabriella Szalay, habe die Puppenstadt eine überaus wechselvolle Geschichte erfahren. Vom Original sind noch etwa 400 Figuren erhalten, mit 82 Szenen sind auch nicht mehr alle zu sehen. Über die Jahrhunderte gab es immer wieder Menschen, die sich liebevoll um das Erbe der Fürstin kümmerten und sichtbare Schäden beseitigten. Eine aufwendige Restaurierung indes blieb aus. Bis jetzt. Derzeit wird das Prunkstück der Sammlungen im Arnstädter Schlossmuseum erstmals einer vollständigen Erneuerung unterzogen. Verantwortlich dafür ist ein Dreigestirn. Claudia Krottasch kümmert sich als Diplom-Restauratorin um bemalte Oberflächen, alle Arten von Stoffen, die Verwendung fanden, sind bei Textilrestauratorin Christine Supianek-Chassay in besten Händen und Martin Bellardi als Medientechniker soll für gutes Licht in den Stuben sorgen. Die Fäden laufen bei Gabriella Szalay zusammen, so dass sich tatsächlich ein Quartett der Wunderkammer des Museums annimmt. Genau dieser Begriff, sagt Szalay, beschreibe am besten den Wert von Mon Plaisir.

Licht hat in der Vergangenheit keine herausragende Rolle in den Stuben gespielt. Was an Tageslicht durch die Glasscheibe fiel, musste ausreichen, um die Szenerie zu illuminieren. „In den vergangenen Jahren hat man sich im Museum damit beholfen, an die Besucher kleine Taschenlampen auszugeben, um in den Stuben die Aufzüge bei Licht besehen zu können“, sagt Szalay. Das sei fern von jeglichem Standard. Nun möchte man meinen, Bellardi müsse nur ein paar Lämpchen installieren und alles ist gut. Das ist es mitnichten. Der UV-Anteil im Licht schädigt Farben und Materialien von Kunstwerken massiv. LED-Licht ist frei davon und gut geeignet. Allerdings darf Bellani keine isolierten Leitungen verlegen, weil die Ummantelung Weichmacher enthält, die Textilien angreifen. Im Grunde muss der Techniker das Rad neu erfinden. „Na, nicht ganz“, schränkt er ein, „jedoch wichtige Teile davon.“ Am Ende soll eine unauffällige, dem Kerzenlicht nachempfundene Beleuchtung die Puppenstadt erhellen – ohne sie zu schädigen.

Da sich in der Vergangenheit niemand um eine grundhafte Erneuerung der Puppenstadt kümmerte, wartet auf die Restauratoren viel Arbeit. Wann immer die Stuben nicht mehr so gut aussahen, wurde ausgebessert oder mit einem neuen Anstrich verdeckt, was nicht mehr gefiel. „Das muss ich jetzt alles entfernen, bis hinunter zur ursprünglichen Farbschicht“, sagt Krottasch. Bei der Restaurierung wird auch berücksichtigt, dass Mon Plaisir künftig einem anderen, den musealen Anforderungen genügendes Raumklima ausgesetzt sein wird.

Der Bestand dieser Wunderkammer ist in 3528 Datensätzen festgehalten, mithin alles, was eine Inventarnummer hat. Das sei sehr detailliert geschehen, sagt Christine Supianek-Chassay. So wurde Teile von Kostümen ebenso erfasst wie Kissenbezüge. Jeder einzelne Eintrag wurde und wird abgeglichen mit dem tatsächlichen Bestand, wobei die Textilrestauratorin zugleich den Zustand des Objektes klassifiziert. „Wir haben ein System eingeführt, das von A wie sehr gut bis D wie katastrophal reicht“, erläutert die Textilrestauratorin. „Wir entscheiden dann spontan, ob das Objekt lediglich abgestaubt wird oder größerer Zuwendung bedarf.“ Supianek-Chassay geht mit hochwertigen Textilien um, denn die Fürstin legte großen Wert auf Authentizität. Da gibt es zum Beispiel bedruckte Baumwolle; für die Zeit sehr selten noch. Echt ist auch die lederne Goldbrokat-Tapete in einer der Stuben. Die feinen Spitzen sind kunstvoll geklöppelt, die Stickereien beeindrucken durch ihre Zartheit. Wo es möglich ist, bessert die Diplom-Restaurateurin die Schäden aus. Weil es sich um Stoffe handelt, die heute nicht mehr zu bekommen sind, wird nicht wirklich restauriert, sondern der Verfall gestoppt. In einigen Fällen jedoch hat der Zahn der Zeit so heftig genagt, dass nichts mehr zu retten ist. Das müsse man zähneknirschend eingestehen.

Im Jahr 2022 hat die Restaurierung der Puppenstadt begonnen, zum Ende dieses Jahres ist Schluss, vorerst. Um überhaupt damit zu starten, brauchte es Geld. Insgesamt 327 000 Euro standen für die Arbeiten bereit. „Dankenswerterweise habe neben der Stadt auch die Thüringer Staatskanzlei und das Kultusministerium den Wert der Arnstädter Wunderkammer anerkannt und Fördergelder bereitgestellt“, freut sich die Museumsleiterin. Damit sei viel erreicht. Doch um das Ziel, Mon Plaisir in einer neuen Sonderausstellung präsentieren zu können, zu erreichen, braucht es weiterer finanzieller Zuwendungen.

Foto: v.l. Gabrielle Szalay, Claudia Kottasch, Christine Supianek-Chassay und Martin Bellardi. | © Klaus-Dieter Simmen