Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Michael Marquardt ist einer, der findet, Feste soll man feiern, wie sie fallen. Und ein 95-jähriges Jubiläum ist ein triftiger Grund, sich an diesen Spruch zu halten. Damals, nämlich 1928, gründete sein Urgroßvater Wilhelm Siebelist in Plaue die Schraubenfabrik und Fassondreherei im Mohngarten 22. Zuvor wurden hier Zigarren gedreht und im Gebäude gab es zudem eine Käserei. Beide Unternehmen waren 1928 bei der Firmengründung Geschichte. Die Halle stand noch. Und Wilhelm Siebelist fand sie und das Gelände bestens für seine Zwecke geeignet. Die Wahl erwies sich als glücklich. Noch heute firmiert das Unternehmen unter dieser Adresse.

In den neuneinhalb Jahrzehnten freilich hat die Wilhelm Siebelist GmbH & Co. KG so manches Ungemach überstehen müssen. Die Widrigkeiten des Zweiten Weltkriegs, die harten Aufbaujahre danach und schließlich 1972 die Verstaatlichung des Betriebes. Wobei es den Nachkommen von Wilhelm Siebelist, der 1939 starb, auch in diesen Jahren gelang, immer jemand aus der Familie in leitender Position im Unternehmen zu haben. Auch wenn es nun unter Mechanik Plaue firmierte und später als VEB Norm- und Fahrzeugteile, Betriebsteil Plaue. „In jenen Jahren ging es um Planerfüllung zum Wohle des Sozialismus“, sagt Marquardt. Investiert in das Unternehmen hingegen wurde kaum. Deshalb blickte Diplom-Ingenieur Heinrich Benner nach der Rückführung der Fabrik an die Familie auf einen Maschinenbestand, der vorwiegend aus Vorkriegszeit stammte. Das war für ihn nicht überraschend, war der Diplom-Ingenieur doch am Mohngarten 22 als Techniker angestellt. „Er wusste, was auf ihn zukam. Nachdem das Unternehmen 1992 wieder in Familienbesitz gelangte, wurde der Maschinenpark komplett ausgetauscht. Die neuen Maschinen waren zwar gebraucht, jedoch wesentlich moderner und damit leistungsfähiger. „Bis heute haben wir rund fünf Millionen Euro investiert“, sagt der Geschäftsführer.

Mit anderen Worten, aus der Wilhelm Siebelist GmbH ist wieder ein zeitgemäß arbeitendes Unternehmen geworden. Und es agiert weit über Thüringens Grenzen hinaus. Vorwiegend Sondermaschinenbauer profitieren von den Erzeugnissen aus Plaue. „Fünf Prozent unserer Kunden sitzen in der Schweiz, 35 Prozent im Freistaat Thüringen. Der Rest ist bundesweit verteilt. In unserer Fertigung stellen wir Drehteile mittels kurvengesteuerten Drehautomaten und modernen CNC-Drehzentren her. Mit bis zu zehn Achsen können wir Drehteile komplett fertigen. 2007 wurde die Fertigung durch Langdreh-CNC-Maschinen erweitert. Bis zu einem Durchmesser von 38 mm und einer Länge von maximal 2700 mm können wir seitdem Teile anbieten“, erzählt Michael Marquardt nicht ohne Stolz. Und die Kunden können auf Qualität bauen. „Zur Sicherung unserer Qualität wurde bereits 1999 ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN-ISO 9000 eingeführt, seit 2013 sind wir nach DIN-ISO 9001 zertifiziert. Das Qualitätswesen wird durch einen geprüften Qualitätsmanager und einen Qualitätsbeauftragten begleitet.“

Der Urenkel ist der fünfte Geschäftsführer. Nach dem Tod von Wilhelm übernahm dessen Schwiegersohn Ernst Benner die Geschäftsführung – bis er wegen seiner unternehmerischen Tätigkeit von den Sowjets 1945 ins Speziallager Buchenwald verschleppt wurde und nie zurückkehrte. Seine Frau Gerda, geborene Siebelist, übernahm 1946 die Verantwortung für Betrieb und Mitarbeiter. „Meine Oma baute quasi die Firma wieder auf, stellte neue Geschäftsverbindungen her, um den Fortbestand zu sichern. Und keinesfalls nebenbei zog sie noch drei Kinder auf“, sagt Marquardt. Die Verstaatlichung 1972 sei ein herber Schlag für sie gewesen. Mit der Wiedervereinigung übernahm Gerads Sohn Heinrich die Firma. Und der kümmerte sich früh um einen Nachfolger für sich. „Da gab es ein Gespräch mit mir“, blickt unser Gesprächspartner zurück, „ich konnte und wollte mich nicht verweigern, also stieg ich 1994 ins Geschäft ein.“ Der gelernte Verfahrenstechniker für Glas und Keramik mit einem Studium für Maschinenbau fand sich rasch zu Hause im Unternehmen. 2002 wurde er dann Geschäftsführer.

Die Dreherei ist nicht nur ein angesehenes Unternehmen in Plaue, sondern verlässlicher Partner der Verwaltungsgemeinschaft Geratal/Plaue. „Auf Michael kann man bauen“, sagt Gemeinschaftsvorsitzender Jörg Thamm. Er hat 17 Jahre als ehrenamtlicher Bürgermeister in der Stadt zwischen Ilmenau und Arnstadt gearbeitet. „Der Unternehmer hat immer ein offenes Ohr für Anliegen der Gemeinde. Und von den Zuwendungen der Dreherei profitieren die Vereine der Region.“ Eine besondere Beziehung pflegt Marquardt zum FSV Grün-Weiß Plaue. Dabei hat er nach eigenem Bekunden niemals als Spieler auf dem Platz gestanden. Deswegen habe er auch sein Ehrenamt als 2. Vorsitzender des Vereins davon abhängig gemacht, nix mit dem Spielbetrieb zu tun haben müssen. Woher die besondere Beziehung zu den Kickern kommt, ist schnell beantwortet: In direkter Nachbarschaft zum Betriebsgelände befindet sich der Fußballplatz.

Feststeht, dass keiner aus der verzweigten Familie das Unternehmen weiterführen wird. Trotzdem ist Michael Marquardt felsenfest davon überzeugt, dass die Wilhelm Siebelist GmbH & Co. KG fortbestehen wird. „Metallverarbeitende Firmen, besonders hochspezialisierte Drehereien, sind gefragt. Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand aus unserem Betrieb ihn übernehmen würde.“

Bild: VG-Vorsitzender Jörg Thamm (li.) im Gespräch mit Geschäftsführer Michael Marquardt | © Klaus-Dieter Simmen

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