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Das Tivoli in Gotha ist eine Gedenkstätte von besonderer nationaler Bedeutung. Einst viel frequentiertes Wirtshaus der Stadt, wurde es 1848 zunächst Treffpunkt der Handwerker, saßen Meister und Gesellen beisammen. Jahre später entwickelte sich im damaligen Kaltwasserschen Saal eine Heimstädte für Arbeiter. August Bebel sprach 1865 vor einer Versammlung. Zehn Jahre später reichten sich hier der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei die Hand und gründeten die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, aus der 1890 die SPD hervorging.
Und trotzdem sehe er darin keine SPD-Gedenkstätte, sagt Jochen Voit. Der Historiker von der Stiftung Ettersberg steht dem Förderverein Tivoli Gotha beratend zur Seite. Er ist zutiefst überzeugt, dass die Gothaer Gedenkstätte in erster Linie ein Ort Deutscher Demokratiegeschichte ist. Das, so sagt er, sollte dort auch in der Ausstellung zum Ausdruck gebracht werden. Der Überzeugung ist auch die Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte. Die noch junge Stiftung fördert deshalb die Gothaer Gedenkstätte. Doch das geht zunächst nur auf digitalem Wege.
„Um eine zeitgemäße, dem Haus würdige Ausstellung zu gestalten, muss zunächst das Haus gründlich saniert und auch barrierefrei gestaltet werden“, sagt Historiker Voit. Das könne weder die Gedenkstätte noch die Stiftung leisten. Da sei die Stadt gefragt, die sich zu diesem historischen Gebäue bekennen muss. Um trotzdem dessen gerecht zu werden, finanziert die Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte eine Onlineausstellung für das Tivoli.
Quasi als Entree zu dieser wirft ein kurzer Film einen Blick auf die Situation der Arbeiter 1890, also im Gründungsjahr der SPD. Zwei Arbeiter befinden sich im Widerstreit mit einer Frau, die umfassende Rechte einfordert. In der historischen Gaststätte Weinschänke fand „neu production“ aus Erfurt den idealen Drehort in der Stadt. Profis und Laiendarsteller nutzten die Ruhetage des Restaurants, um für kurze Zeit 133 Jahre zurückzublicken. An der Produktion waren mit Ralph Uwe Heinz und Kai von Kindleben auch zwei Gothaer Mimen beteiligt. Erster spielt den Herrn Olafson, der als vermeintlicher Polizeispitzel schließlich als Agitator entpuppe und aufrief, dass sich auch in Gotha die Arbeiter solidarisieren müssen. Kai von Kindleben, mit dem bewusst gewählten Vornamen August, stellt einen wenig erfolgreichen Autor dar. Die Rolle seiner Ehefrau verkörpert Anna-Carolina Stuckart. Dominik Wand und Jochen Voit sind die Arbeiter.
So wichtig eine Onlineausstellung auch ist, sie kann das Erlebnis im historischen Gebäude mit dem original erhaltenen Saal nicht ersetzen. Der Historiker der Stiftung Ettersberg möchte in der Gedenkstätte Tivoli eine Ausstellung sehen, die ganz dem Gedanken der Demokratieentwicklung verpflichtet ist. „Mit Vitrinen, in denen zu erfahren ist, wenn welche Persönlichkeit wie lang im Haus weilte, lockt man keine Besucher mehr in eine Gedenkstätte, geschweige junge Leute.“ Voit schwebt vor, dass sich Besucher bei Eintritt ins Haus unmittelbar in einer Szene aus dem 19. Jahrhundert befinden. Von da aus geht es über die Mühen der Demokratie zu den vielfältigen Möglichkeiten, sich selbst einzubringen. So soll gerade für Jugendliche das Tivoli ein Ort sein, wo Demokratie erlebbar gemacht ist, wo sie selbst aktiv werden können, um deren Mechanismen zu erfahren.
Bild: Anna-Carolina Stuckart im Gespräch mit Dominik Wand und Jochen Voit. | © Klaus-Dieter Simmen