Regionalmanagement Thüringer Bogen:

In der Nacht hat die russische Armee erneut massiv die Ukraine angegriffen. Für Julia und Maryna sind Meldungen darüber Alltag. Kalt lassen sie die beiden Mädchen keineswegs. Wenngleich sie mittlerweile in Gotha leben, sicher vor Bomben und Granaten, wissen sie um das Grauen. Seit zwei Jahren gehen sie auf die Herzog-Ernst-Gesamtschule, gegenwärtig in die achte Klasse. Die deutsche Sprache verstehen sie gut, mit dem Sprechen indes könnte es besser sein. Die Mädchen arbeiten daran, sie sind ehrgeizig. Maryna ist 14 Jahre und kommt auch Charkiw, Julia ist 13 Jahre alt und kommt aus Boryslaw. In der Ukraine haben sie ihre Freunde zurücklassen müssen. Die Welt, in der sie künftig leben würden, konnten sie sich kaum vorstellen.

Als Fremde in die Schulklasse gekommen, sind die beiden heute hier angekommen, kein leichter Weg. Dabei war es rückblickend auch für ihre Mitschüler nicht einfach. Die Sprachbarriere, sagt Jonas, war ein Punkt. „Und wir wussten ja nicht, was sie zu Hause erlebt haben, wie’s ihnen geht. Da war auch die Angst, im Umgang miteinander etwas falsch zu machen.“ Das sieht auch Mitschülerin Lea so. „Je mehr die beiden Deutsch gelernt haben, desto besser ist der Umgang miteinander geworden“, sagt sie. Elisa fügt an, dass sie anfangs oft Angst hatte, die ukrainischen Mitschüler etwas zu fragen. „Ich wollte sie nicht verletzen.“ Nicht nur Max haben die beiden dazu gebracht, sich mehr mit dem Krieg in der Ukraine zu beschäftigten. „Das sind Menschen, die den Tod von Familienmitgliedern und Freunden zu beklagen haben. Manche haben alles verloren, was sich die Eltern aufgebaut haben.“ Je weiter die Sprachkenntnisse sich entwickelten, um so einfacher gestaltete sich der Umgang miteinander. „Bei der Klassenfahrt nach Oberhof haben wir mit Maryna Karten gespielt und sie hatte auch im Kletterwald viel Spaß. Und wenn es mit der Verständigung haperte, hat’s dann mit Englisch prima funktioniert.“

Dass die beiden Mädchen in ihrem neuen Leben angekommen sind, haben sie auch Viktoria zu danken. Viktoria kommt aus Russland, lebt bereits seit neun Jahren in Deutschland. Sie hat sich ohne Zögern der beiden angenommen, für sie übersetzt, wo diese nur Bahnhof verstanden haben. Das sei doch selbstverständlich, sagt sie achselzuckend. Anfangs stand ihr ein zweites russisches Mädchen zu Seite, ebenfalls eine Victoria, die jedoch mittlerweile aufs Sportgymnasium geht. Viel Aufhebens möchte Viktoria um ihre Hilfe nicht gemacht haben. „Ich kann übersetzen, also mache ich das.“

Lehrer Frank Wiegend möchte sich gerne mehr einbringen, mehr erzählen. Zeitmangel setzt einen Riegel davor. Die beiden jungen Ukrainerinnen brauchen einfach mehr Zuwendung. Und wir haben in der Klasse auch deutsche Schüler, die unsere Hilfe brauchen. Die Förderung läuft derzeit alles andere als optimal. „Wir können die Situation nicht ändern, aber daraus das Beste machen und keinen zurücklassen,“ betont er.

Maryna hat bereits Pläne, die über die Schule hinaus gehen. Sie ist sehr ehrgeizig, arbeitet parallel an ihrem Abschluss in der Ukraine. Ihr großes Ziel ist, Lehrerin zu werden. Wenn es ihr die Zeit lässt, tanzt sie in einer Gemeinschaft. Julia weiß gar nicht, welchen Weg sie nach der Schule gehen will. Ob sie eine künstlerische Laufbahn einschlagen wird, wer weiß. Bei der Talent-Show der Gesamtschule vor einigen Wochen legte sie mit ihrer Schwester eine Gesangseinlage hin, die ihnen sofort Platz eins einbrachte.

Der Krieg in der Ukraine macht vielen Menschen Sorgen, ja sogar berechtigte Angst. Drei junge Mädchen – zwei aus der Ukraine und eines aus Russland – geben Hoffnung. Auf ganz einfache Weise.

Bild: Maryna und Julia aus der Ukraine sind Schülerinnen an der Gesamtschule Herzog-Ernst in Gotha. Da sie immer noch Verständigungsprobleme haben, werden die beiden kräftig unterstützt von Viktoria aus Russland (Mitte). | © Klaus-Dieter Simmen

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