Stiftung Schloss Friedenstein Gotha:
Am Wochenende ist die dritte Sommergrabung am Bromacker zu Ende gegangen. Trotz der diesjährigen sehr nassen und wechselhaften Witterung hat das Grabungsteam auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Funde gemacht, die Aspekte des gesamten Bromacker-Ökosystems abdecken und unterstreichen, dass die Fundstelle weltweit einzigartig ist.
Ergänzt wurde die Grabung von einer Forschungsbohrung am nahe gelegenen Gallberg, die unter der Federführung des Geowissenschaftlichen Instituts der Universität Jena und des UNESCO Global Geoparks Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen durchgeführt wurde.
Am Bromacker haben die Forscher ein neues Grabungsfeld eröffnet und konnten so in neuen Gesteinsschichten weitere Erkenntnisse und einen tiefen Einblick in das Ökosystem vor 290 Millionen Jahren gewinnen.
Insgesamt haben etwa 45 Wissenschaftler und Studierende vier Wochen lang den rötlichen Stein Schicht für Schicht abgetragen und 317 Funde gemacht. Darunter finden sich geologische Strukturen wie zum Beispiel Trockenrisse und Regentropfenmarken sowie Spurenfossilen – also Fährten, Grabgangsysteme und Schwimmspuren – und Körperfossilien, zu denen Pflanzen, Insekten, Gliederfüßer und Wirbeltiere zählen.
Zu den diesjährigen Highlights gehört ein neuer Typ von Grabgangsystemen, die denen heutiger Lungenfische und mancher Amphibien ähneln, die höchstwahrscheinlich als Schutz vor widrigen klimatischen Verhältnissen, wie beispielsweise Trockenheit, dienten. Insgesamt wurden drei Teilskelette sowie Knochen von selteneren Ursauriergruppen entdeckt, deren Zuordnung zu einer Art aber erst nach deren Freilegung in den geowissenschaftlichen Werkstätten möglich sein wird.
Bis zuletzt blieb es spannend: Zehn Minuten vor geplanter Beendigung der Grabung fand das Team Arm- und Fingerknochen von einem nicht näher bestimmten Ursaurier, so dass das Grabungsteam am Ende noch ein paar Überstunden und Spätschichten einlegen musste. Es wurde eine Gipskappe angefertigt, um möglichst das komplette zusammenhängende Skelett zu entnehmen, das nun unter kontrollierten Bedingungen präpariert wird.
BROMACKER-Projektleiter Prof. Jörg Fröbisch, PhD, vom Museum für Naturkunde in Berlin sagt: „Es ist immer wieder faszinierend, dass in jedem Bromacker-Grabungsjahr so zahlreiche und neuartige Funde gemacht werden, was wieder einmal das enorme Potenzial dieser Fossilfundstelle auch für die kommenden Jahrzehnte unterstreicht. Daher freuen wir uns schon jetzt auf alle zukünftigen und hoffentlich auch etwas trockeneren Ausgrabungen am Bromacker.“
Grundsätzlich sind die Sommermonate die beste Zeit für eine Grabung, weil trockene Bedingungen für das Abbauen des Gesteins und für das Erkennen auch sehr kleiner Fossilien optimal sind. In diesem Jahr hat das regenreiche Wetter die Grabungsflächen teils verschlammt oder sogar geflutet. Dr. Tom Hübner, Projektleiter des BROMACKER-Projekts in Gotha, sagt: „Dennoch konnten wir an den meisten Tagen arbeiten, teilweise geschützt durch Pavillons und mithilfe eines Teams, dass großen Forschergeist und viel Durchhaltevermögen bewiesen hat.“
Nicht nur die Fachcommunity gewann in den vergangenen Wochen eine genauere Vorstellung davon, wie Klima und Geologie vor 290 Millionen Jahren in der Tambach-Formation ausgesehen haben könnten. Auch Fachfremde, Hobby-Paläontologen, Schüler oder Touristen konnten sich von Ursauriern und Co. ein genaueres Bild machen.
Aktionstage für Familien, öffentliche Führungen und die direkte Vermittlung von Inhalten an der Grabungsstelle haben dies möglich gemacht. Insgesamt haben etwa 1.600 Menschen den Bromacker die Grabung besucht. So konnten alle Interessierten den Forschenden über die Schulter schauen – virtuell oder direkt vor Ort. Denn: Der Bromacker ist für alle da. Wissenschaftskommunikation begleitet das BROMACKER-Projekt auf allen Ebenen und transportiert die Faszination des Themas und die Begeisterung der Forschenden mittels modernster und experimenteller Wissenstransfer-Formate.
„Bereits im Vorfeld waren Führungen ausgebucht. Wir haben uns sehr gefreut, dass sich in diesem Jahr wieder so viele Besucher für die Grabung interessiert haben und dass das Interesse für den Bromacker und das erdgeschichtliche Erbe der Region ungebremst ist“, sagt Maria Schulz, Wissenschaftskommunikatorin im BROMACKER-Projekt.
Allein zum Tag der Offenen Bohrung am 5. August kamen etwa 600 Besucher. Im Rahmen des Familienfestes in Tambach-Dietharz wurde die Forschungsbohrung für die Öffentlichkeit geöffnet. Neben den Führungen fand auch der BROMACKER-Stand auf der Ochsenwiese regen Zuspruch: An einer Mikroskopierstation mit Dünnschliffen von Fossilen vom Bromacker erhielten Interessierte einen Einblick ins Projekt, außerdem standen Gipsfiguren und Gipsabgüsse von Fossilien und Fußspuren vom Bromacker zum Bemalen bereit. Auf diese Weise brachte das Team den Anrainern und Anwohnern der Stadt-Tambach-Dietharz ihre Forschungsabsichten näher und feierte die bisherigen Erfolge mit ihnen gemeinsam bei einer Thüringer Rostbratwurst.
Inzwischen wurde der Großteil der Funde aus dem letzten Jahr aufbereitet und freipräpariert. Dazu zählt auch ein sehr bedeutender Fund, der die Erwartungen des Teams weit übertroffen hat. Es handelt sich um die Überreste eines pflanzenfressenden Ursauriers aus der Gruppe der Diadectiden, die offenbar in der Kammer eines einstigen Grabgangsystems eingebettet wurden. Kratzspuren an den Kammerwänden beweisen zudem erstmals, dass einige Ursaurier systematisch solche Kammern gegraben und sich darin zurückgezogen haben. Es sieht so aus, als hätte der hier entdeckte Ursaurier in seinem eigenen Bau seine letzte Ruhe gefunden.
Bohrung am Gallberg
In diesem Jahr hat das Team am Gallberg bei Tambach-Dietharz die Bohrung abgeteuft, an einem Ort also, der sich in der Mitte des Tambacher Beckens befindet. Im vergangenen Jahr fand eine erste Bohrung am Hainfelsen statt und erreichte 250 Meter Tiefe.
Bei der Bohrung bewegt sich eine wassergekühlte Diamant-Bohrkrone tief in das Gestein und fördert eine zylinderförmige Stange aus der Tiefe an die Oberfläche. Dieser sogenannte Bohrkern wird dann in einer Kernkiste aus Holz gelagert. Eine Kernkiste mit Kern wiegt etwa 25 Kilogramm.
Im Folgenden werden diese Gesteinsproben intensiv bearbeitet, beprobt und mithilfe von unterschiedlichsten wissenschaftlichen Methoden untersucht. So fertigen die Forscher Dünnschliffe an, führen Korngrößenanalysen und geochemische Analysen durch, ermitteln die Farbspektren und messen die Magnetisierbarkeit sowie die natürliche Radioaktivität der Gesteine. Im Anschluss sollen die gewonnenen Daten aus den Bohrungen verglichen werden. So lassen sich eine Vielzahl weiterer, vor allem räumlicher Informationen gewinnen.
Ziel des Vorgehens ist es, die Landschaft und das Klima vor 290 Millionen Jahren und damit die Lebensräume der Ursaurier zu rekonstruieren: Wenn die Forscher die Gesteine aus beiden Bohrungen vergleichen, können sie wichtige Fragen beantworten: Wo waren Berge und Tiefländer? Wie gelangte der Ablagerungsschutt in das Becken? Wo entsprangen die Flüsse und wo flossen sie hin? Wie breit und wie tief waren sie? Waren die Flussbecken ständig mit Wasser gefüllt oder trockneten sie im Sommer aus? Gab es Klimaschwankungen?
Die Bohrung am Gallberg dauert noch an. Am Mittwoch, 16. August, um 14 Uhr können Interessierte an einer von Mitarbeitenden der Friedrich-Schiller-Universität Jena geleiteten Führung teilnehmen und mehr über die Bohrtechnik sowie die geotechnischen und geowissenschaftlichen Arbeiten erfahren. Auch außerhalb der Führungen stehen die Mitarbeiter der Firma BOG jederzeit gern Rede und Antwort zum Bohrprozess. Das exakte Bohrende wird der UNESCO Global Geopark Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen auf www.geopark-thueringen.de bekannt geben.
Beteiligt an dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Vorhaben sind Forschende und Mitarbeitende vom Museum für Naturkunde Berlin – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN), der Friedrich-Schiller-Universität Jena, des UNESCO Global Geoparks Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen und der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha.
Bild: Forschungsbohrung am Gallberg | © Stiftung Schlloss Friedenstein Gotha