Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Bücher spielten nicht die Hauptrolle in Lutz Gebhardts Leben, jedenfalls nicht bis zu dem Punkt, wo er beschloss, ein eigenes zu verfassen. Er lernte den Beruf eines Elektromonteurs, installierte Steckdosen und Leitungen, bildete sich weiter, studierte Elektrotechnik und promovierte auf seinem Fachgebiet. Und nebenbei begleitete ihn seine Leidenschaft: das Radfahren. Er ist einer jener Pedalritter, die nicht nur mal ebenso in den Sattel stiegen, um sich bei einer Tagestour zu entspannen, sondern Gebhardt erkundete auf dem Rad die Welt. Kurz vor dem Ende der DDR hatte er eine Möglichkeit gefunden, auf diesem Wege Mittelasien zu bereisen.

„Und in dieser Zeit reifte in mir der Gedanke, ein Buch übers Radfahren zu schreiben“, erzählt er. Das erschien schließlich im Moby Dick-Verlag. In jenen Jahren änderte sich die Welt in Deutschland. Biografien wendeten sich, so auch die von Lutz Gebhardt. Und weil er schnell begriffen hatte, dass mit Bücherschreiben kaum Geld zu verdienen ist, hingegen mit Bücherhandel einiges mehr, begann er damit, dem Handel Lesestoff anzubieten. Dabei war ihm an einem breitgefächerten Portfolio gelegen.

Aber er hatte nur eine Wanderkarte vom Thüringer Landesamt für Vermessung in seinem Portfolio. Für neue Produkte mahlten die Mühlen für den jungen Unternehmer zu langsam. Deswegen musste er in der Waltershäuser Buchhandlung Wünsche abschlägig beantworten. „Die Chefin sagte, wenn’s am Kartografen liegt, da sei Abhilfe möglich und empfahl mir ihren Mann, der sich gerade auf dem Gebiet auf eigne Füße gestellt hat.“ Im Ergebnis gründete Gebhardt kurzerhand einen eigenen Verlag, in dem er Rad- und Wanderkarten auflegte. Im Oktober 1992 erschien die erste eigene Produktion. Seitdem ist das Ingenieurbüro für Kartografie von Müller und Richert in Gotha verlässlicher Partner für den Kartenhersteller in Ilmenau.

Angst, dass dieses Geschäft von Navigationsgeräten verdrängt wird, hat Lutz Gebhardt nicht. „Ein Navi ist prima, wenn es darum geht zu wissen, ob man nun rechts oder links abbiegen muss“, sagt er. „Doch unsere Karten bieten mehr, viel mehr. Da erfährt der Nutzer, was es auf beiden Seiten der Route zu entdecken gibt und andere wissenswerte Informationen.“ Lange hat der Mann über einen Namen für seinen Verlag nachgedacht, vieles verworfen und sich schließlich für “grünes herz“ entschieden. Region für Region in Thüringen brachte Gebhardt auf Wanderkarten, erweiterte das Feld auf die neuen Länder und das Verlagsangebot auf Touristikliteratur schlechthin. Dabei trat er auch als Autor in Erscheinung und berichtete über seine Radreisen, wie zuletzt im Kalender für 2022. Dort machte er den Lesern Lust auf eine Tour entlang des italienischen Flusses Po. Das Radfahren ist nach wie vor die große Leidenschaft des 70-Jährigen. Mittlerweile sei er mit dem Rad auf allen Erdteilen unterwegs gewesen, mit Ausnahme der Antarktis.

So wie er ungeplant ins Verlagswesen rutschte, so wenig hat er die Erweiterung des Unternehmens beabsichtigt. Zunächst wurde ihm die Übernahme des Demmler-Verlages in Schwerin angeboten, dass war 2002. Drei Jahre später übernahm er den in schweres Fahrwasser geratenen Rhino-Verlag und 2015 schließlich den Buchverlag für die Frau. All diese Unternehmen vereinte er zur Verlagsgruppe grünes Herz, die auf diese Weise ein breitgefächertes Angebot für den Leser bietet.

Dass er seine Verlage 30 Jahre lang erfolgreich durch die Wirren der Zeit steuerte, begründet Lutz Gebhardt damit, dass er eigentlich kein Verleger, sondern Techniker ist. „Ich arbeite mit Zahlen, so ist ein Buch für mich zunächst ein ökonomischer Faktor“, sagt er, „ich sehe darin nicht unbedingt das Kunstwerk, das unter allen Umständen auf den Markt gebracht werden muss.“  Glücklich ist der Mann, dass seine Söhne ins Verlagsgeschäft eingestiegen sind. Am 20. August 2018 übernahmen diese das Ruder, jedenfalls fast. Gebhardt ist immer noch gemeinsam mit Christoph Hoffmann, dem jüngsten der Brüder, Geschäftsführer, während der ältere, Dennis Gebhardt, die Vertriebsleitung übernommen hat. Dass gegenwärtig die Situation im Verlagswesen ökonomisch bedrohlich ist, ängstigt die beiden wenig. „Im Verlagswesen zu bestehen, ist zu allen Zeiten keine einfache Sache“, sagt Hoffmann. „Man muss sich der Situation anpassen, flexibel reagieren, dann ist man für die Zukunft gerüstet.“

Bild: Vater und Sohn: Gemeinsame Geschäftsführer im Verlag „grünes herz“ sind Lutz Gebhardt und Christoph Hoffmann. Bruder Dennis Gebhardt indes leitet den Vertrieb. | © Klaus-Dieter Simmen

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