Regionalmanagement Thüringer Bogen:
Vierspännig vor die Kutsche gespannt, trotten die Kaltblüter gemächlich längs der blühenden Bergwiese in Richtung Wald. Ein paar Jungrinder blicken gelangweilt hinterher. Fraglos ein schönes Bild. „Stimmt“, sagt Rainer Ortlepp. „Deswegen kommen die Leute doch auch zu uns.“ Seit etlichen Jahrzehnten kutschiert der Friedrichrodaer Touristen durch Wald und Feld seiner Heimat. Erst im Nebenerwerb, später, ab 1988, machte er daraus einen Beruf. „Das wollte die Partei so“, sagt er schelmisch. Den Urlaubern in Friedrichroda sollte was geboten werden, auch Kutschfahrten. Als ein Unternehmen schloss, musste Ersatz her. Die örtliche Verwaltung entschied sich für Ortlepp. Und der nutzte die Gunst der Stunde.
Mit Pferden zu arbeiten hat in der Familie Ortlepp lange Tradition. Nachweislich seit 1826 rückten die Männer im Wald um Friedrichroda Holz, eine harte Arbeit für Mensch und Tier. Erst 1967 war Schluss damit, als ausschließlich Maschinen zum Einsatz kamen. Pferde, so erinnert sich der Kutscher aus Passion, lebten immer auf dem elterlichen Hof. Dass Rainer eine Leidenschaft für Tiere entwickelte, verwundert deshalb nicht. Nur waren die anfangs kleiner. „Ich hatte Kaninchen, später kamen größere hinzu, nämlich Schafe, Esel und Ponys“, erzählt er. Obwohl auf bäuerlichem Hof aufgewachsen, erlernte er einen Handwerksberuf, wurde Tischler. „Das ist in Ordnung, Kutscher kann man immer noch werden.“ Auf dem Weg dahin sagte er Säge und Hobel adé und wurde Rinderzüchter in der örtlichen LPG. In dieser Zeit erledigte er alle nötigen Formalitäten, um Personen mit seiner Kutsche transportieren zu dürfen und stellte sein Pferdefachwissen unter Beweis. Dann startete er sein Nebengewerbe.
Heute hat Rainer Ortlepp vier Mitarbeiter und 14 Kaltblüter. Und die werden auch gebraucht. „Da kommt beispielsweise ein Bus aus dem Ruhrpott. Und alle Reisenden wollen mit uns den Thüringer Wald kennenlernen, gleichzeitig versteht sich. Da braucht’s genügend Pferde zum Vorspannen“, begründet das der Chef. Auf diese Weise können 60 Gäste spannende Stunden erleben. „Besonders gern wird die Tour längs der Sportstätten in Oberhof gebucht.“ Sprungschanzen, Bob- und Rodelbahn und Biathlonstadion können bestaunt werden. Und wer mag, bekommt Gelegenheit für Erinnerungsfotos, auf Wunsch auch mit Pferden.
Vornehmlich buchen die Gäste der großen Hotels im Erholungsort die Leistungen von Ortlepp. Er hat sich mit seinem Angebot auf die vielfältigen Wünsche eingestellt. 75 Minuten durch den Wald, einen ganzen Tag Thüringer Wald, auch Mehrtagestouren sind möglich. Man müsse sich halt absprechen, sagt der Unternehmer. Auf Wunsch brennt auch der Rost, auf dem bereits Original Thüringer Grillgut brät, wenn die Kutsche ankommt. „In aller Regel wünschen sich unsere Gäste Bratwürste“, sagt Ortlepp, „sind es Brätel, dann handelt es sich meist um Einheimische.“ Denn auch die nutzen gern die Angebote des Friedrichrodaer.
Weil viele, die eine Kutschfahrt buchen, sich gerne Oberhof anschauen wollen, hat er dort kurzerhand eine Niederlassung gegründet. Das erspart Zeit und Wege und den Pferden Stress. Und noch aus einem anderen Grund ist Thüringens höchst gelegene Stadt für den Friedrichrodaer wichtig: Hier liegt im Winter Schnee. Jedenfalls mehr und länger als unten am Fuß des Gebirges. Da lohnt es den Schlitten anzuspannen. „Eine Fahrt durch den verschneiten Winterwald begeistert immer wieder!“ Ortlepp kann das verstehen. Seine Tour führt über den Rennsteig bis zum Schützenberg, Oberhofs höchstem Punkt. Schlittentouren werden früh gebucht, selbst wenn das keineswegs Schneesicherheit garantiert.
Auf Wunsch lädt er Gäste auch am Forsthaus Gabelbach nahe Ilmenau in seine Kutsche. Selbige und die Pferde bringt er dann per Lastwagen zum Startpunkt. In dieser Region kennt sich Rainer Ortlepp ebenso gut aus wie zu Hause. Und so kann er seinen Gästen viel erzählen, von Menschen und Sagen und über eine eindrucksvolle Natur.
Foto: Die Kutschfahrten führen über Wiesen in den Wald | © OGR