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Jetzt, sagt er, fungiere er als Hausmeister und fügt lächelnd hinzu: Geringfügig beschäftigt. Gerade eben hat Michael Kallinich die Schere beiseite gelegt, mit der er die Buchsbaumhecke in Form gehalten hat, die sich im barocken Muster vor dem Gartenhaus erstreckt. Als er hier, in der Lucas-Cranach-Straße 9, geboren wurde, gehörte dieses Gebäude noch nicht zum elterlichen Besitz. Der beschränkte sich auf das Haupthaus, das Vater Carl 1937 erwarb.

Der Großhandelskaufmann brauchte Platz für sein 1924 gegründetes Unternehmen. Diesen bot ihm das Gebäude, das zuvor schon von Edeka als Lagerplatz genutzt wurde. Wenig erinnerte noch an die glanzvolle Zeit, da das Frankenbergsche Palais dem „Diener dreier Herzöge“ zum Repräsentieren und Wohnen diente. 1768 zog hier Freiherr Sylvius Friedrich von Frankenberg-Ludwigsdorff (1728-1815) ein. Der Hesse stand zunächst in Diensten von Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg, später von Herzog Ernst II und schließlich überließ ihm Herzog August uneingeschränkt die Staatsgeschäfte.

Das war dem jungen Michael ebenso egal wie das historische Pflaster, über das er tagtäglich huschte. Sein Interesse galt früh schon dem väterlichen Betrieb, in dem er jede freie Minute verbrachte. Und er half nach Kräften mit in der Großhandlung für Tabak- und Zuckerwaren von Carl Kallinich. Mit Beginn des Krieges im September 1939 gingen die Umsätze mehr und mehr zurück. In der jungen DDR behielt sich der Staat das Monopol für Tabakwaren vor, Kaufmann Kallinich erweiterte sein Sortiment um Spirituosen und Weine. So wurde in der Lucas-Cranach-Straße aus Fässern in Flaschen abgefüllt, was Gothaer Hersteller produzierten. Im Auftrag der Staatlichen Großhandelsgesellschaft der DDR belieferte das Unternehmen nun Gaststätten im Landkreis mit Hochprozentigem und Läden mit Süßwaren. Später, nach Schule und Ausbildung zum Handelskaufmann, stieg Michael in das Geschäft ein. Die Touren durch den Landkreis waren aufwändig, die Erlöse schmal. Später, als Eispulver, Waffeltüten und alles, was in Eisdielen gebraucht wurde, hinzu kamen, erweiterte sich der Radius bis auf die andere Seite des Rennsteigs.

Was an Einnahmen kam, reichte gerade so zum Leben,

erinnert sich Michael.

Gern hätte mein Vater in die Sanierung des Hauses investiert. Nur woher das Geld nehmen?

Die Mieteinnahmen waren lächerlich klein und deckten nicht einmal die nötigsten Reparaturen. 1964 verstarb der Vater plötzlich, Kallinich führte das Geschäft mit der Mutter weiter. Bis 80 Tonnen Süßwaren setzte das Familienunternehmen jährlich um. 1974, als keinerlei Aussicht für den Kaufmann bestand, eine Genehmigung zum Weiterbetrieb der Firma zu bekommen, machte er Schluss. Mittlerweile mit Heidi Kallinich verheiratet, hatte sich bei dem jungen Paar ein Gefühl für das Denkmal entwickelt, in dem sie wohnen. Eines, das sie auch ihren Söhnen Matthias, Tobias und Christoph vermitteln konnten.

Bild: Der Blick aufs Gartenhaus offenbart die Schönheit dieses Anwesens. | © Klaus-Dieter Simmen

Und daraus entwickelte sich die Grundlage für die umfassende Sanierung, die mit der Wiedervereinigung von der Familie in Angriff genommen wurde. Das galt auch für das Gartenhaus, das sie mittlerweile erworben hatte. Zwar gab es jetzt Material im Überfluss, die finanziellen Mittel hingegen waren nach wie vor beschränkt. Ein Fünftel Eigenkapital war nötig, um Fördermittel für das Vorhaben zubekommen. Gern hätten die Kallinichs gesehen, dass ihre Eigenleistung hier verrechnet worden wäre. Das blieb Wunschtraum. Aus der Klemme half schließlich die Kreissparkasse Gotha.

Eine glückliche Fügung,

sagt Michael. Solche hat es in der Bauphase immer wieder gegeben. Als die Familie und die Stadtverwaltung über die Fassadengestaltung uneins waren, traf er auf einen Fachmann, der sein Wissen uneigennützig zur Verfügung stellte. Hilfe zur Selbsthilfe war seine Devise. Nur beim Ausmalen des Kopfes über der Tür, der Frankenbergs Frau zeigen soll, griff er selbst zum Pinsel.

Ob bei der Verlegung der elektrischen Leitungen, bei Sanitär- und Klempnerarbeiten – immer wieder traf die Familie auf Menschen, die vom Projekt begeistert, nach Kräften halfen. Das habe sie vorangebracht, sagt Kallinich. Er selbst entwickelte im Lauf der Jahre handwerkliche Fähigkeiten, an die er nicht einmal im Traum gedacht hat. Sämtliche Malerarbeiten hat er selbst ausgeführt. Auch das Vergolden übernahm die Familie. Sohn Matthias eignete sich die nötige Technik an. So wurde das Denkmal zu einem Schmuckstück, das Gästeführer gern ansteuern. Immerhin lässt die Fassade, so eindrucksvoll sie auch gestaltet ist, nicht ahnen, welches Kleinod sich mit dem Gartenhaus dahinter verbirgt. Es zu entdecken, entlockt den Besuchern immer wieder ein erstauntes Oh.

Viel weiß die Familie über die Geschichte des Hauses unterhalb von Schloss Friedenstein. Die alten Treppenstufen, die sie täglich nutzen, schritt Goethe bereits hinauf ins Audienzzimmer. Was jedoch immer noch im Dunkel der Geschichte verborgen bleibt, ist der Bauherr des Hauses, das 1712 fertiggestellt wurde. Diesen Namen würde die Familie gern erfahren. Mittlerweile führen die Söhne das Erbe von Heidi und Michael Kallinich fort. Sohn Matthias hat sich um dem Denkmalpreis des Landkreises Gotha für 2024 beworben – und die Auszeichnung erhalten. Die zweite Ehrung nach dem Fassadenpreis der Stadt Gotha 2023. Auch wenn auf der Urkunde Matthias steht, der Denkmalpreis würdigt die Leistung der gesamten Familie.

Bild oben: Einst ging hier Freiherr Sylvius Friedrich von Frankenberg-Ludwigsdorff seinen Amtsgeschäften im Auftrag drei Gothaer Herzöge nach. Jetzt leben hier Heidi und Michael Kallinich, die das Denkmal sorgsam restauriert haben. | © Klaus-Dieter Simmen

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