Regionalmanagement Thüringer Bogen:
„Zusammenhalten, Netzwerke bilden und nach vorne blicken“, sagt Maria Scheffel, „das ist in Krisenzeiten ein praktikables Rezept.“ Sie ist seit 2018 gemeinsam mit ihrer Mutter Heike die Chefin des Hotels in Wandersleben, das 1992 nach umfassenden Umbauarbeiten von der Familie eröffnet wurde. In den mehr als drei Jahrzehnten musste manche Klippe umschifft werden. Mit Zuversicht, Ideen und Ärmel hochkrempeln gelang das auch in Corona-Zeit. Damit trotzen die Scheffels den explodierenden Energiepreisen. Und als zum Jahreswechsel die Ankündigung ins Haus flatterte, dass im Sommer unwiderruflich die Wasserversorgung eingestellt wird, verfiel Maria Scheffel nicht in Schwarzseherei, sondern begab sich umgehend auf den Weg, um das Problem anzugehen.
„Zunächst nahm ich zu den 15 Unternehmen im Gewerbegebiet in Wandersleben den Kontakt auf. Schließlich sind wir alle von der Maßnahme betroffen“, erzählt sie. Während die anderen Verbraucher in der Gemeinde mit Wasser aus der Ohratalsperre versorgt werden, fließt im Gewerbegebiet Brunnenwasser aus dem Hahn. Binnen kurzer Zeit war die engagierte Frau mit allen Firmenchefs im Gespräch, die betroffen sind. Heute hat Bürgermeister Jens Leffler die Wasserversorgung zur Chefsache gemacht, informiert sich regelmäßig bei der zuständigen Abteilung der Stadtwerke in Erfurt über den Fortgang der Anschlussarbeiten, damit zur Jahresmitte weiterhin Wasser im Gewerbegebiet Wandersleben wie gewohnt nutzbar ist.
Durch die Nähe zur Autobahnabfahrt Mühlberg klingeln im Hotel Wandersleben immer wieder Flüchtlinge aus der Ukraine, die auf der Durchfahrt sind. Da habe sie schon viele traurige und anrührende Geschichten gehört, sagt die Hotel-Chefin. Für gleich drei Familien war das Hotel Endstation ihrer Flucht. „Wir wollten helfen und haben die drei Frauen samt Kindern bei uns aufgenommen.“ Heute haben diese in Wandersleben ihre eigenen Wohnungen und stehen in einem Beschäftigungsverhältnis – im Hotel Wandersleben. „Es war kein einfacher Weg bis dahin“, erzählt Maria Scheffel. Doch weil viele Räder ineinandergriffen, konnten rasch Nägel mit Köpfen gemacht werden. Die Schulleiterin vom Gymnasium Neudietendorf setzte sich dafür ein, dass die 12-jährige Tochter von Julia zur Schule gehen kann. Jetzt wiederholt sie die siebte Klasse, die sie zu Hause bereits absolviert hat. „Es geht vorrangig darum, dass sie deutsch lernt.“ Und daran hat Maria Scheffel keinen Zweifel. „Unsere Gäste sind alle voller Wissbegier und fleißig“, betont sie. Ebenso war es dem Engagement vieler zu danken, dass der vierjährige Sascha in kurzer Zeit einen Platz in der Kita bekam. Hier fühlt er sich pudelwohl und hat längst Freundschaften geschlossen.
Und die drei Frauen aus der Ukraine sind ebenfalls im deutschen Alltag angekommen. Sich im deutschen Behördendschungel sicher zu bewegen, stelle besonders anfangs die Flüchtlinge vor schier unüberwindliche Hindernisse. Die Hotel-Chefin findet, jedem von ihnen müsste ein Behördenlotsen an die Seite gestellt werden. Diese Zeit haben Julia, Marina und Christa längst hinter sich gelassen. Ihre Deutschkenntnisse sind gewachsen, wie beim Stammpersonal das ukrainische Vokabular zugenommen hat. Maria Scheffel kann nicht verstehen, dass Kollegen über Arbeitskräftemangel klagen und andererseits Abstand davon nehmen, Flüchtlinge einzustellen. Die Sprachbarriere ist aus ihrer Sicht kein wirklicher Hinderungsgrund. Die Lernbereitschaft sei bei den Ukrainern hoch.
Ein Hotel sollte in der Region verwurzelt sein. Dieses Credo leben die Scheffels. Nicht nur, dass sie im Jahreslauf Veranstaltungen für die Region organisieren, seit einiger Zeit wird auch Frühstück für Einheimische angeboten. Das werde rege genutzt, freut sich die Hotel-Chefin. „Und auf diese Weise kommen Einheimische und unsere Gäste ins Gespräch. Derzeit treibt die junge Hotel-Chefin ein neuer Gedanke um. Sie will einen Oma-Enkel-Tag einführen. Sie stellt sich vor, jeweils drei Mädchen oder Jungen an einen Tisch mit ebenso vielen Senioren zu setzen, ohne irgendwelche Regularien. Sie hofft, dass Gespräche entstehen, die fruchtbringend für beide Seiten sind. „Die Älteren können erzählen aus der Zeit, die die Jungen nicht erlebt haben, diese wiederum können Dinge erklären, die der Seniorengeneration nicht so geläufig sind. Vielleicht finden hier Omas, die keine Enkelkinder haben, einen Ersatz. Und am Ende könnten Freundschaften stehen, von denen beide profitieren“, blickt Scheffel voraus.
Bild: v.l. Christina, Julia, Maria und Mutter Heike Scheffel sowie Marina. Die Ukrainerinnen haben in Wandersleben eine zweite Heimat gefunden. | © Klaus-Dieter Simmen