Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Eines war klar. Niemals zurück in den Osten, unter keinen Umständen. Zu lebhaft die Erinnerungen an die abgelehnten Studienwünsche, an die gescheiterte Flucht aus dem ungeliebten Staat, den negativ beschiedenen Ausreiseantrag und das folgende Berufsverbot, ausgesprochen eine Woche, bevor Frank Ehmig seine Meisterarbeit verteidigen wollte. Da kam, sagt er, viel zusammen. Nach dem ihn kurz vorm Mauerfall die DDR-Regierung in den Westen abschob, fand der Steinmetz und Bildhauer nach mehreren Stationen schließlich Arbeit in München.

Das sei eine gute Zeit gewesen, schwärmt er. Er habe seinen Anteil gehabt an den Sanierungsarbeiten der Frauenkirche. „In über 90 Meter Höhe am Südwestturm habe ich die Verzierungen aus Tuffstein aufgearbeitet, mit bestem Blick auf die Alpen und über die Stadt“, erzählt er. Doch nicht nur in der bayrischen Landeshauptstadt, auch in Freising, an Ratzingers Bischofssitz, hat Frank Ehmig seine Spuren hinterlassen. „Es gab viel zu tun“, sagt er und an den Osten habe er keine Gedanken mehr verschwendet. Bis ihn ein Brief erreichte. Ob er, schrieb ihm der Absender, sich vorstellen können, am Naumburger Dom arbeiten zu können, als Meister der Dombauhütte. Das war zu Beginn der 90er Jahre, das Kulturdenkmal längst noch nicht zum Weltkulturerbe gekürt. Für Ehmig ein Ruf, dem er nicht widerstehen konnte. Zumal Naumburg längst nicht mehr den Osten verkörperte, sondern zurück gekehrt war in die Mitte Deutschlands. 1993 bezog er seine Wohnung gegenüber dem Dom.

Dass Ehmig schließlich nach erfolgreichen Jahren Naumburg in Richtung Gotha verließ, hatte vornehmlich zwei Gründe, familiäre und den immer stärker werdenden Wunsch nach Selbständigkeit. Dass er sich in seiner neuen Wahlheimat auf eigne Füße stellen konnte, dankt er Knut Kreuch, damals Bürgermeister der Einheitsgemeinde Günthersleben/Wechmar. In der Domäne fand sich genügen Raum für einen Steinmetzbetrieb. „Hier soll sich der Wechmarer Königshof befunden haben, wo im Februar 1086 Kaiser Heinrich IV Gerichtstag hielt“, erzählt Ehmig schmunzelnd, „da hab‘ ich mich doch gleich zu Hause gefühlt.“ Daran hat sich für den gebürtigen Eisenberger nichts geändert. Seit 2004 hat er seine Werkstatt in Wechmar. Mittlerweile reihen sich an den Wänden Grabplatten, denen Zeit und Unvernunft übel mitgespielt haben und deren Seele der Restaurator wieder ans Licht holte, Teile von Brunnenanlagen, die für außergewöhnliche Handwerkskunst stehen, und andere steinerne Zeugnisse. Manche stehen dort auf Zeit, bis sie wieder an ihren angestammten Platz kommen, für andere wiederum hatten die Auftraggeber keine Verwendung mehr.

Nach dem er die DDR verlassen musste, arbeitete Ehmig an verschiedenen Projekten im Süden der Republik, restaurierte den Friedensengel in München, erledigte Aufträge in Baden-Baden, im Kloster Eichstätt und an der Markthalle in Bonn. Und auch während seiner Zeit als Chef der Dombauhütte agierte der Handwerksmeister über die Grenzen Naumburgs hinaus. Als selbstständiger Handwerksmeister führten ihn Aufträge zu bedeutenden Kulturdenkmalen quer durch Deutschland. Er arbeitete auf der Museumsinsel in Berlin und am Dom zu Stendal, am Rathausturm zu Rothenburg ob der Tauber und am Schloss Gottdorf in Schleswig. Logisch ist, dass es in Thüringen und besonders im Heimatkreis Gotha kaum einen Ort mit historischem Gemäuer gibt, wo Ehmig nicht den Finger auflegen kann und sagen: Das habe ich gemacht! Im vergangenen Jahr war es der steinerne Mönchstisch im Schloss Friedrichswerth.

Seine Arbeit ist eng mit der Geschichte der jeweiligen Region verbunden. Deshalb gilt sein Interesse der Historie in all seinen Facetten. Deshalb ist er Mitglied mit Verein für Stadtgeschichte Gotha. Und als solcher hat er die Restaurierung des Wappens der Landgrafschaft Thüringen am Schloss Friedenstein gesponsert. Doch sein Interesse gilt nicht nur steinernen Hinterlassenschaften von Berufskollegen aus verschiedenen Jahrhunderten. Fasziniert zeigt er sich auch von Steinen, die einstmals quicklebendig waren. Um bei der Suche nach versteinerten Dinosaurierresten mitzuhelfen, verbrachte Frank Ehmig vier Wochen in Südafrika. Als Mitglied einer internationalen Gruppe grub er in insgesamt fünf Vulkankratern. „Und wir haben einige sehr interessante Funde gemacht“, freut er sich.

Foto: Frank Ehmig | © Klaus-Dieter Simmen