Regionalmanagement Thüringer Bogen:
Lulu. Lulu? Lulu! Was für die meisten Menschen unverständlich daher kommt, hat für die Schlaraffen große Bedeutung. Mit Lulu begrüßen sie sich, damit geben sie ihrer Zustimmung und mit einem dreifachen Lulu ihrem Entzücken Ausdruck. Schlaraffen, das sieht man also, leben in einer eignen Welt. Hier gibt es Ritter und Burgen, Knappen und Junker, Insignien der Macht und Schwerter. Und doch würde es niemals einem Schlaraffen einfallen, letzteres im Zorn zu erheben oder in finstrer Absicht zu den Waffen zu rufen. Zweifellos sind sie dennoch bewaffnet, nämlich mit einer schier unerschöpflichen Menge Humor. Und sie stellen gern unsere Welt auf den Kopf. Und das seit 1859, dem Jahr ihrer Gründung. Seitdem verspotten sie die Wichtigtuerei der Obrigkeit, halten ihr mit Kunst und Witz den Spiegel vor. Von Prag aus eroberten die Schlaraffen die Welt: Heute gibt es 263 Reyche in rund 20 Ländern auf fünf Kontinenten. Sie alle agieren im Zeichen des Uhus, ihrem Symbol für Weisheit, Humor und Tugend, vor dem sie sich beim Eintritt in die Burg tief verbeugen.
Auch zwischen Gotha und Arnstadt sind sie zu Hause, die Schlaraffen, deren Name sich von sorgloser Genießer ableitet. Hier, im Reyche „Zu den drey Gleichen“, herrschen die Oberschlaraffen Ritter Peterle, Ritter CalAtor und Ritter von Michel. Als Kanzler agiert Ritter Un-Bequem, sein Stellvertreter ist Ritter Tati-Tata. Um die Junker kümmert sich Sir Thomas. Der Zeremonienmeister ist Ritter Pescatore. Insgesamt tummeln sich im Reyche 20 Schlaraffen und solche, die es werden sollen, sprich Knappen und Junker, verrät Ritter Peterle. Ihre Burg haben sie in Arnstadt im Restaurant Schellhorn, das bezeichnender Weise in der Ritterstraße zu finden ist. Dort treffen sie sich zu ihren Sippungen.
Manchmal aber reiten die Schlaraffen in anderen Reychen ein, wie an jenem Vollmond-Montag im Januar in der Drachenburg nahe der Wartburg. Aus gutem Grund nahmen sie die Mühen des langen Reiseweges auf sich, denn YsenAha, das Reych der Schlaraffia Eisenach, stellte sich auf eigne Füße. Und endlich konnte der Pömpel eingetauscht werden gegen eine wahre Insignie des Reyches, würdevoller, als es je eine Saugglocke zu sein vermag. Das freut auch die Ritter des Reyches „Zu den drei Gleichen“, das fortan YsenAha mütterlich zur Seite stehen wird.
Als in jenem Herbst 1859 der Prager Theaterdirektor Franz Thomé den Bassisten Albert Eilers in die Prager Künstlervereinigung „Arcadia“ einführen wollte, wurde der spöttisch gefragt, was ein solcher Habenichts in ihren Reihen zu suchen habe. Nun, Thomé und Eilers regierten wahrhaft schlaraffisch: Sie überzogen die Acardiaer weder mit Schimpf noch mit Schande, sondern verspotteten mit feinem Humor am von ihnen gegründeten Proletarier-Stammtisch den Männerbund. Später entwickelte sich aus dem Stammtisch die Schlaraffen-Bewegung. Gründungsmitglied Eilers bekam später ein Engagement am Gothaer Theater und brachte so die Schlaraffen-Idee mit in die Residenzstadt. Er nannte sich Ritter Graf Gleichen und gründete mit Künstlerkollegen das erste Gothaer Reych, genannt Gothaha. Im Oktober 1882 bestand es aus zehn Rittern, einem Junker und drei Knappen. Da Eilers und seine Kollegen sowohl in Gotha als auch in Coburg Theater spielten, tagten die Schlaraffen jeweils am Spielort. Verschiedene Umstände sorgten dafür, dass Gothaha so gut wie nicht mehr schlaraffisch tätig war und letztlich 1895 als Reych gestrichen wurde. Neun Jahre dauerte es, bis Ritter Krakeel es 1904 neugründete.
„Sowohl die Nazis als später auch die DDR-Oberen sahen in den Schlaraffen einen gefährlichen Geheimbund“, erzählt Ritter Un-Bequem. 1937 endete mit Verbot die zweite Gothaha zwangsweise. „Ab Frühjahr 1946 fand wieder ein wöchentlicher Stammtisch statt, zu dem auch heimatvertriebene Schlaraffen kamen. Als diese weiterzogen, wurde eine Wiederbelebung der schlaraffischen Aktivitäten in Gotha unwahrscheinlich“, erzählen die Drey-Gleichen-Schlaraffen auf ihrer Internetseite. Der Gedanke jedoch blieb im Raum. Auch wenn es bis 2014 dauerte, ehe sich erste Ritter im neuen Reych Gotha/Arnstadt versammelten. Sie fühlen sich dem Spiel verpflichtet, dass die Schlaraffen weltweit spielen. Dabei sind sie weit entfernt von einem Geheimbund oder gar einer Loge. „Bei uns ist nichts geheim“, sagt Ritter Peterle. „Unsere Tür steht allen offen, die sich unserem Credo verpflichtet fühlen, nämlich der Pflege von Kunst, Freundschaft und Humor.“ Und letzterer dürfe alles, unterstreicht der Ritter, nur nicht flach daherkommen oder gar verletzend sein.
Die Schlaraffia-Reyche sind heute alles andere als Männerbünde. Burgfräulein gehören längst in die Runde und füllen wichtige Ämter aus, pardon: Ambter, denn die Schlaraffen pflegen ihre eigne Sprache.
Info: Wer sich für die Schlaraffen interessiert, unter www.dreygleichen.de gibt es weitere Informationen.
Foto: Ritter Un-Bequem, Ritter CalAtorund Ritter Tati-Tata singen eines der Lieder aus dem Gesangbuch der Schlaraffen.