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Es ist eine lange Geschichte. Sie beginnt am 14. Juni 1848 in Frankfurt am Main. Dort beschließen die Mitglieder der Nationalversammlung den Aufbau der Deutschen Marine. Das liegt jetzt 175 Jahre zurück. Und hat immer noch Auswirkungen auf Gotha. Denn jene Marine, so formulierten es die Flottengesetze im Kaiserreich, sollte wachsen, wachsen zu einer schlagkräftigen Hochseeflotte. Das löste im Reich schiere Begeisterung aus, von der auch die Residenzstadt nicht verschont blieb. Folgerichtig gründete sich hier 1903 der Marineverein, also vor 120 Jahren.

„Kein Wunder, diejenigen Gothaer, die zur See gefahren waren, brauchten eine Gemeinschaft, in der sie sich austauschen konnten. Andererseits war das aktive Werbung für die Kaiserliche Marine, die jede Menge Personal brauchte“, sagt Reinhard Schwantz. Er ist erster Vorsitzender der Marienkameradschaft Gotha, die in direkter Tradition zu eben jenem Marineverein von 1903 steht. Selbst wenn diese nicht ohne Bruch ist. 1933 wurden alle Vereine dieser Art aufgelöst, Jungs, die sich für die Seefahrt interessierten, blieb nur die Hitler-Jugend. Auch in der DDR gab es keinen Raum dafür, den hatte die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) belegt. Erst mit der Wiedervereinigung gründeten sich die ersten Marinekameradschaften wieder.

Auch in Gotha. Ein Aufruf in der Tageszeitung wandte sich an Gleichgesinnte. In einem Gasthaus trafen sich im November 1992 rund 30 ehemalige Seefahrer und gründeten die Marinekameradschaft neu. Bereits im Dezember erfolgte der Beitritt zum Deutschen Marinebund. Das liegt nun rund 30 Jahre zurück.

Das also sind schon drei Jubiläen, die direkt und indirekt mit Gotha zu tun haben. Solch eine Gelegenheit lassen sich die Marinekameraden der Stadt nicht entgehen. Deshalb luden sie befreundete Marinekameradschaften, weitere Freunde maritimen Lebens und Vertreter des Öffentlichen Lebens ein, um dieser zu gedenken. Dabei konnten die Marinekameraden, Männer und Frauen, die auf Schiffen der Volksmarine, der Hochseefischerei und der Handelsflotte auf den Meeren unterwegs waren, auf die Unterstützung vom Marineclub Gotha bauen. „Wir sind jeder auf seine Art selbstständig, doch anderseits freundschaftlich verbunden“, betont Falko Zenker vom Marineclub. Und Gernot Greibig, zweiter Vorsitzender der Marinekameradschaft, unterstrich die Bedeutung des gemeinschaftlichen Agierens. „Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, die Tradition der Marine weiterzugeben, die Tugenden auf See zu bewahren und unsere eigenen Erfahrungen zu vermitteln.“ Das braucht Adressaten. Und die finden sich beim Marineclub. Die enge Verbindung sorgte dafür, dass durch diesen die Marinekameradschaft sogar eine Jugendgruppe integrieren konnte. „Das ist selten“, resümiert Schwantz, „andere Kameradschaften sind überaltert und werden kurz über lang nicht mehr existieren.“

Der Festveranstaltung fügten die Gothaer Seebären noch ein viertes Jubiläum hinzu, die 110. Wiederkehr der Fahnenweihe. Damals hatte sich der Marineverein längst den Namen Henning von Holtzendorff gegeben. Dieser ranghohe Marineoffizier hatte seine Jugendzeit in Gotha verbracht. Nun bekam der Marineverein zehn Jahre nach seiner Gründung endlich eine eigene Vereinsfahne. Und das war nicht irgendein Stück Stoff, sondern eine 120 mal 100 Zentimeter große, mehrlagige und reich bestickte Fahne, die sehr teuer gewesen sein dürfte. „Das zeigt, die Mitglieder des Marinevereins waren keine armen“, sagt Gernot Greibig. Die Fahne, die auf ihrer Vorderseite das sächsische Wappen und die Initialen von Herzog Eduard von Sachsen-Coburg-Gotha zeigt, wurde am 10. August geweiht.

Die Vereinsfahne der Marinekameradschaft Gotha | © Klaus-Dieter Simmen

Das Schicksal der Fahne nach 1933 liegt im Dunkeln. „Wir vermuten, dass sie durch die Kriegs- und Nachkriegszeit von Hugo Zenne gebracht wurde“, sagt Schwantz. Dieser war der einzige Überlebende des Kreuzers Wiesbaden, der im ersten Weltkrieg unterging. Der Oberheizer aus Gotha fungierte in den 30er Jahren als Vorsitzender des Marinevereins. Von einem Neffen Zennes kaufte Vereinsmitglied Werner Kämpfert schließlich 2001 die Fahne – für die stolze Summe von 3000 DM. Er übergab sie der Marinekameradschaft, die schließlich Geld für die Restaurierung sammelte. Seit Dezember 2001 ist die Fahne wieder in ihrem Besitz.

Darauf sind die ehemaligen Seefahrer besonders stolz. Das zeigte sich auch bei der Festveranstaltung aus Anlass der vier Jubiläen. Und die Bilanz, die aus diesem Grund gezogen wurde, kann sich sehen lassen. Die Seebären aus Gotha und Umgebung halten die maritime Tradition lebendig. Und das nicht zum Selbstzweck, sondern weil es ihnen gelingt, junge Menschen dafür zu begeistern.

Bild oben: Gleich vier Jubiläen feierte die Marinekameradschaft Gotha. Mit dabei die Seebären der Kameradschaft Ilmeau-Arnstadt, die enge Verbindungen zu den Gothaern pflegen. Auf dem Foto Gernot Greibig, 2. Vorsitzender des Gothaer Vereins, Bernd Füchsel, Vorsitzender des Vereins Ilmenau-Arnstadt, und Reinard Schwantz, erster Vorsitzender in Gotha. | © Klaus-Dieter Simmen

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