Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Seit dem 14. Februar verrät in Marlishausen ein Blick zur Uhr am Kirchturm wieder, welche Stunde bald schlagen wird. Dazu musste die alte Turmuhr ausgebaut, die neue ein und ein ebensolches Zifferblatt angebracht werden. Dafür bekam die Firma Turmuhren und Glocken Steffen Willing aus Gräfenhain den Zuschlag. Um all das zu bewerkstelligen, musste weder ein Gerüst gestellt, noch eine Hebebühne aufgestellt werden. Firmeneigene Bergsteiger haben kurzerhand das Zifferblatt an Ort und Stelle angebracht. Das spart Kosten.

Turmuhren und Glocken Steffen Willing – dahinter verbirgt sich ein neunköpfiges Team. „Nicht zu vergessen unsere beiden Hunde“, sagt der Firmenchef lachend. Gegründet hat das Unternehmen Vater Manfred Richard Willing, der damit sein Hobby zum Beruf machte. Doch das galt anfangs den kleinen Uhren. Dass Willing Senior schließlich bei Turmuhren landete, hat mit zwei Schulfreunden zu tun. Der eine Bürgermeister in Herrenhof, der andere eben vernarrt in mechanische Uhren. Weil die Zeiger der Uhr am Kirchturm im Dorf lange schon an gleicher Stelle verharrten, bat der eine Schulfreund den anderen, doch mal nach dem Grund zu sehen. Steffen Willing erinnert sich, dass der Vater damals im Turm hinaufstieg und befand, dass an Ort und Stelle nichts zu reparieren sei. „Also wurde das Werk an einem Samstag abgebaut, in die heimische Garage geschafft, gesäubert, instandgesetzt und wieder an Ort und Stelle zusammengebaut.“ Der heutige Firmenchef half damals schon dem Vater. „Dann passierte, was wir nicht geahnt haben: Ein Bürgermeister nach dem anderen klopfte an und berichtete von seiner defekten Uhr am Kirchturm.“ Das brachte den Vater auf den Gedanken, sich selbstständig zu machen. Ein zäher Kampf mit den Behörden sei das gewesen, weiß der Sohn nur zu gut. 1988 dann, pünktlich zum 50. Geburtstag, bekam Manfred Richard Willing seine Gewerbeerlaubnis.

Zwei Jahre später stieg Steffen mit in die Firma ein. Während der Vater die Mechanik der Uhren aus dem Effeff beherrschte, kamen nun Elektrik und Elektronik hinzu. Damit wollte er sich nicht mehr intensiv beschäftigen. Das trug er dem Sohn an, der sich bei einer Firma in Ulm das nötige Rüstzeug holte. Damit kann die Firma vielfältige Anforderungen erfüllen – von der modernen Funkuhr bis zur Restaurierung mechanischer Werke und zum kompletten Leistungsspektrum für Glocken. „Das hat auch mit der ehemaligen DDR zu tun“, sagt Steffen Willing. „Hier blieben diese Werke erhalten und wurden nicht durch Funkuhren ersetzt. Heute stellen sie einen kulturhistorischen Schatz dar.“ In den alten Ländern wurden unbekümmert Funkuhren eingebaut, die mehr und mehr die originalen Uhren ersetzten. Welchen Stellenwert sich die Firma aus Gräfenhain erarbeitet hat, zeigt die Tatsache, dass sie eine von drei Unternehmen war, die sich an der Ausschreibung für die Dresdener Frauenkirche beteiligen durfte.


So sieht eine in Gräfenhain restaurierte Turmuhr aus: Das Schmuckstück, 1910 von der Firma Saam in Themar gebaut für die Kirche in Dingsleben. Demnächst wird sie wieder dort eingebaut.

Wenn man sich die Referenzen anschaut, so findet man in Thüringen die Turmuhr des Erfurter Doms. Entstanden ist ein museales Präsentationsobjekt innerhalb der Führungen zur größten freischwingenden Glocke des Mittelalters, der Gloriosa. Eine Empfehlung, die das Team besonders stolz macht, ist die Turmuhr des Klosters Seeon im Chiemgau. Neben der Restaurierung des etwa um 1700 handgeschmiedeten Turmuhrwerkes mit der gesamten geschmiedeten Mechanik zu den Zifferblättern, kümmerten sich die Handwerker aus dem Thüringer Bogen um Zeigergetriebe und Uhrschlaghammer mit Glockenaufhängung der Uhrschlagglocke.

Das Beispiel aus Bayern zeigt, dass Steffen Willing nur zu gern bereit ist, seinen Regeln eine Ausnahme hinzuzufügen. „Wir arbeiten für Kunden im Umkreis von 250 Kilometern, das ist wirtschaftlich. Da betreuen wir auch den größten Teil unserer 1800 Kunden.“ Doch gibt es Aufträge, denen kann der Thüringer nicht widerstehen. So beispielsweise beim Zuschlag für die Restaurierung der Turmuhr vom Palais Schaumburg in Bonn. Die Einzelteile dieser Uhr werden gerade in Gräfenhain sorgsam gereinigt, schadhafte Teile durch neue ersetzt. Am Uhrwerk der Basilika Wiesentheid sind die meisten Arbeiten fertiggestellt. Trotzdem wird es nicht wieder hinauf in den Turm kommen. „Das Uhrwerk von 1806 ist ein wahres Schmuckstück. Deshalb haben sich die Verantwortlichen entschlossen, es öffentlich auszustellen“, erzählt Willing. Es wird mit Glocken versehen, das Pendel bekommt Raum im Boden und ein Glaskasten schützt es schließlich. Einen Platz findet das Zeugnis historischer Handwerkskunst im Fachwerkensemble ums Wiesentheider Rathaus herum. Eine Turmuhr von 1910 verlässt bald die Werkstatt, um in Dingsleben in der Rhön wieder die richtige Stunde anzuzeigen. Das Uhrwerk aus dem Schloss von Barchfeld ist davon noch weit entfernt. Doch Steffen Willing weiß, dass bald schon aller Rost entfernt und die Sanierung beginnen kann. Gebaut wurde es etwa um 1750.

Viele solcher Uhrwerke harren noch ihrer Restaurierung. Und auch wenn sie heute beispielsweise einen elektrischen Aufzug bekommen, so bleiben die ursprünglichen Werke doch erhalten und stehen für die erstaunlichen Fertigkeiten früher Handwerker.

Bild: Wenn diese Uhr vollständig restauriert ist, geht sie zurück ins Plais Schaumburg bei Bonn. | © Klaus-Dieter Simmen

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