Regionalmanagement Thüringer Bogen:
Einmal in der Woche kam der Landfilm aufs Dorf, auch nach Emleben. Was da über die Leinwand im Saal der Schenke flimmerte, begeisterte besonders die Kinder. Bei Siegfried Scharf weckte ein Piratenstreifen ein ganz besonderes Interesse. Nein, ihn trieb es nicht zur Seefahrt, noch interessierte er sich für Segelsport. Der Elfjährige war hin und weg von einem Entermesser, mit dem sich ein Pirat durch den Film kämpfte. „Für mich war klar, so ein Messer will ich auch haben“, erinnert er sich.
Und wenn der Wunsch in Erfüllung gehen soll, muss der Junge selbst aktiv werden. Aus einem alten Spatenblatt meißelte er die Form heraus, die dann so lange bearbeitet wurde, bis daraus ein Messer wurde. Für den Griff wurde Siegfried auf dem Müll fündig. Von einer ausrangierten LKW-Batterie baute er die Außenteile ab und funktionierte sie um. Das erste selbstgebaute Messer wurde von Altersgenossen ehrfürchtig bestaunt.
Wie viele Messer Siegfried Scharf in seinem Leben gebaut hat, kann er beim besten Willen nicht mehr sagen. Und schätzen mag er die Zahl erst recht nicht. „Seit meiner Kindheit sind Messer meine Leidenschaft“, sagt er. Und erzählt, wie er einem Soldaten der Roten Armee, der als Regulierer am Straßenrand stand, ein Springmesser abgehandelt hat. „Zu Hause habe ich es umgehend auseinandergenommen, weil ich wissen wollte, wie die Mechanik funktioniert.“ Bald schon hatten die meisten seiner Schulkameraden solch ein nachgebautes Messer.
Anfang der 70er Jahre lernte Scharf mit Zerspaner einen Metallberuf. Lange hielt es ihn nach Lehrabschluss nicht an der Werkbank. „Was wir damals verdienten, war nicht die Masse. Von einem Freund erfuhr ich, dass es beim Forst fast das Doppelte gab und da habe ich nicht lange überlegt.“ Bis nach der Wiedervereinigung arbeitete er für den Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb. „Das war ein ziemlicher Knochenjob. Nicht alle haben dort lange ausgehalten. Ich habe mich durchgebissen.“ Das gelang auch, weil der Emleber schon immer gern draußen in der Natur ist, weil er sich im Wald zuhause fühlt. Einige Jahre vorm Renteneintritt zwang ihn eine Erkrankung an beiden Händen seinen Job aufzugeben. Das war im Jahr 2015. Im gleichen Jahr noch meldete er einen Handwerksbetrieb an. „Jemand, der meine Messer sah, sagte, Mensch, mach dich doch selbstständig. Ich bezweifelte, dass ich davon leben konnte. Doch dann überlegte ich und sagte mir, wenn du eine Messerschleiferei aufbaust und Trophäenbretter für Jäger anfertigst, dürften die drei Standbeine ausreichen. Mein Ziel war genügend zum Leben einzunehmen und nicht reich zu werden.“ Die Rechnung ging auf.
Drei Jahre später wurde Siegfried Scharf Rentner und gab sein Gewerbe wieder auf. „Ich wollte eigentlich die Zeit anderweitig genießen“, gesteht er ein, doch so einfach von seiner Leidenschaft kann er nicht lassen. „Messer bauen ist nach wie vor mein Ding.“ Auch wenn er längst nicht mehr solche Stückzahlen wie zuvor fertigt. Viele Stücke entstehen auf Bestellung, wobei der Kunde ganz eigene Vorstellungen umgesetzt haben will. „Viele Jäger kommen mit ihren Messerwünschen zu mir. Solche Einzelanfertigungen machen natürlich viel Spaß.“ Wie kreativ der Handwerker ist, können Besucher unterschiedlicher Märkte in der Region erleben. Und da hat man auch Gelegenheit, mit dem Messermann aus Emleben zu fachsimpeln.
Bild: Ein prüfender Blick und Siegfried Scharf entscheidet, ob das Messer zur Weiterverarbeitung bereit ist. | © Klaus-Dieter Simmen