Regionalmanagement Thüringer Bogen:
„Mir ist langweilig“, sagt die Stimme, „haben Sie einen Eierlikör für mich?“ Wenn der Roboter Augen hätte, mit denen er zwinkern könnte, dann würde er es jetzt tun. Ihm sind mehrere lockere Sprüche an die Hand gegeben. Das entspannt und macht den kleinen Kerl mit seiner runden Figur sympathisch. „Er ist nicht nur witzig“, weiß Barbara Löser zu berichten. „Er kommt auch morgens ans Bett gerollt und fragt, ob ich gut geschlafen habe.“
MORPHIA heißt der Tausendsassa. Und dahinter verbirgt sich ein „Mobiler robotischer Pflegeassistent zur Verbesserung der Teilhabe, Versorgung und Sicherheit in der häuslichen Pflege“. Realisiert hat das Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Technische Universität Ilmenau. Federführend hier das Fachgebiet Neuroinformatik und kognitive Robotik unter Leitung von Professor Horst-Michael Groß. Allerdings agierte die TU nicht allein, sondern mit einer Reihe ausgewählter Partner. Sie alle trafen sich am 7. Juli in der Universitätsstadt, um das Verbundprojekt abschließend zu präsentieren.
Die Forderung lautete, einen Assistenzroboter zu entwickeln, der Pflegebedürftigen ermöglicht, einerseits von zu Hause aus zu kommunizieren, anderseits mit den Personen, die sich um sie kümmern, vernetzt zu sein. Mit anderen Worten: Der Roboter soll mobil und interaktiv agieren und die Seniorin oder den Senior im Alltag unterstützen – und dabei leicht zu bedienen sein. Aber: Braucht es solch einen Allrounder überhaupt in der Pflege? Überfordert er die Senioren eher als ihnen hilfreich zu sein? Diesen Fragen ging Pflegewissenschaftler Manfred Hülsken-Giesler von der Universität Osnabrück nach. Und er fand mit seinem Team heraus, dass die Sorgenetzwerke, also Angehörige und Freunde, schon nach kurzer Zeit dem System positiv gegenüberstanden. Weil diese selten auf engem Raum agieren, sondern oftmals über große Distanzen verteilt sind, befürchtete Hülsken-Giesler, dass die Möglichkeit über Videotelefonie zu kommunizieren, persönliche Besuche reduzieren könnte. „Genau das ist aber nicht passiert“, freut sich der Professor der Osnabrücker Uni. Trotzdem ist Videotelefonie die meist genutzte App beim Roboter.
Sybille Meyer vom Institut für Sozial- und Technikforschung beschäftigte sich ebenfalls mit dem Thema Akzeptanz. Für ihre Antworten erprobte sie das System in 13 Haushalten, wobei das Durchschnittsalter bei 76 Jahren lag. Ihre Probanden kamen einhellig zum Schluss, dass das Gesamtkonzept aufgeht und sich die Lebensqualität deutlich erhöht. Nicht wenige fanden die Funktion, die daran erinnert zu trinken oder die Tabletten einzunehmen, sehr praktisch.
Damit am Ende diese positive Einschätzung des Roboters stand, mussten technische Schwierigkeiten gemeistert werden. Der MetraLabs GmbH aus Ilmenau kam die Aufgabe zu, den Roboter zu entwickeln. Das Unternehmen hat auf dem Gebiet reichlich Erfahrungen, denn zahlreiche mobile Service-Roboter erblickten hier das Licht der Welt. MORPHIA stellte das Unternehmen vor besondere Herausforderungen. So durfte der Roboter nicht zu groß werden, um im häuslichen Umfeld navigieren zu können. „Deshalb kamen wir auch auf die runde Form“, erläutert Florian Kranz. Mit etwas mehr als einem Meter Größe passt der dienstbare Geist prima in die Wohnung. Zudem sind die Hardwareteile so verbaut, dass sie wenig Platz einnehmen. Das macht ihn schlank genug, auch enge Stellen passieren zu können.
Die Cibek GmbH aus der Nähe von Speyer hat Erfahrungen mit der Entwicklung technischer Lösungen, die ein selbstorientiertes Leben ermöglichen. Für MORPHIA, so Geschäftsführer Bernd Klein, lagen die Herausforderungen unter anderem darin, eine Schnittstelle zu realisieren, die Videotelefonie, Kommunikation im Chat und die Robotersteuerung ermöglicht. Und das muss dergestalt funktionieren, dass es für den Nutzer gebrauchstauglich ist.
Sie alle und weitere Partner trugen dazu bei, dass mit MORPHIA ein Assistenzroboter entwickelt wurde, der in seiner Form auch in Europa einmalig ist. Damit hat das Projekt seinen Abschluss gefunden. Ein Praxiseinsatz für MORPHIA ist noch nicht vorgesehen. Um den Roboter in Serie zu produzieren, damit er privat erworben werden kann oder von Pflegeeinrichtungen, sei, so Professor Groß, ein gutes Stück Entwicklungsarbeit nötig und müsse ein Geldgeber gefunden sein. Manfred Hülsken-Giesler ergänzte: „Wenn Systeme dieser Art in die Leistungssysteme der Pflegekassen aufgenommen werden, sind wir auf einem guten Weg. Und das ist zu erwarten, wenn auf breiter Ebene festgestellt wird, ja, das ist eine prima Sache und hilft die Lebensqualität zu erhalten.“ Das sei der Schritt, nach dem MORPHIA weithin Akzeptanz findet.
Bild: Barbara Löser hat MORPHIA getestet und ist begeistert. | © Klaus-Dieter Simmen