Regionalmanagement Thüringer Bogen:
Martin Geleick geht von Tisch zu Tisch und fragt: Ihr esst alles? Das wird allseits bejaht. Na dann, sagt der Koch, gehe ich in meine Küche und mach was Schönes für euch. In der Neuen Mühle in Westhausen, unweit von Gotha, steht kein besonderes Event an. Was da passiert, ist Alltag im Restaurant von Geleick. Er setzt auf Menüs, um die Gäste in seine Welt des guten Geschmacks zu entführen. Besonders beliebt ist das Überraschungsmenü. Während der Koch im Verborgenen wirkt, tritt Sandra Gutsche in Aktion. Zunächst will sie wissen, wer zum Menü Wein trinkt oder lieber auf Alkohol verzichtet. Für letzterem gibt’s in der Neuen Mühle nicht nur die übliche Auswahl an Wasser, Cola oder Limo, sondern aus Früchten komponierte Säfte, in denen sich, ähnlich wie beim Wein, Säure und Süße und Aromen im Wechselspiel zum perfekten Essensbegleiter verbinden. Das zeigt sich schon beim Gruß aus der Küche, die alkoholfreie Variante passt perfekt zu den Dips für das kleine Sauerteigbrot, extra für die Neue Mühle in Erfurt gebacken, vom Biobäcker versteht sich.
Martin Geleick war 16 Jahre alt, als er sich anschickte, die Welt der Gastronomie zu erkunden. Erstes Rüstzeug bekam er im Hotel „St. Michael“ in Morbach im malerischen Hunsrück. Nach der Ausbildung arbeitete er als Chef de Partie jeweils in Kelkheim, im Restaurant der Alten Oper in Frankfurt und schließlich im „Buffalo Steak House“ auf der Aida. Chef de Partie ist übrigens Platz drei in der Küchenhierarchie, nach dem Küchenchef und seinem Stellvertreter. Bis 2015 ist Geleick auf den Weltmeeren unterwegs, zuletzt auf der AIDA Cruises als Sous Chef.
Nach dem Amuse-Bouche warten die Gäste auf den ersten Gang. Der kommt nicht. Stattdessen schiebt der Küchenchef noch einen zweiten Gruß hinterher. So sei er, der Chef, sagt Sandra Gutsche. Er variiere gern, damit überrasche er auch sie immer wieder. Die Gäste dürfte das freuen: Es gibt ein pochiertes Ei im Glas – auf Kräuteröl, abgedeckt mit einer cremigen Sauce Hollandaise, garniert mit Röstzwiebeln und Schnittlauchröllchen.
Direkt vom Schiff geht der Westhäuser 2015 nach Berlin. Erste Station ist das Restaurant „Grill Royal“, wo er als Sous Chef tätig ist. Später dann übernimmt er den gleichen Posten im Hotel „ESTREL“. Doch das Meer lässt ihn nicht los; er heuert erneut auf der AIDA Cruises an, zunächst als Stellvertreter des Küchenchefs, später übernimmt er selbst diesen Posten. Das Arbeiten auf den Ozeanen habe ihn immer fasziniert, sagt Martin Geleick. Für die Küche konnte er auf Märkten weltweit einkaufen. „Besonders viel Spaß hatte ich, wenn mich bei den Besuchen dort Passagiere begleiteten.“ Hier entwickelte sich auch eine besondere Beziehung zur asiatischen Küche.
Das ist beim ersten Gang deutlich zu spüren. Der Chef lässt eine gebackene Garnele mit einer asiatischen Mayonnaise, die mit einer leichten Schärfe daherkommt, und Mangowürfeln servieren. 2020 heuert Geleick ab und kehrt nach Hause zurück. „Mir war klar, dass ich früher oder später in meine Heimat zurückkehre.“ Dieser Zeitpunkt war nicht ganz freiwillig gewählt. Das Haus, in dem er sein Restaurant betreibt, sollte verkauft werden. Das ging ihm gegen den Strich. Weil es für die Familie eine besondere Bedeutung hat. Seine Oma hat hier am Herd gestanden und er als 16-Jähriger sein erstes Praktikum absolviert. Dass überhaupt schon früh sich bei ihm der Berufswunsch Koch manifestiert hat, ist besagter Oma zu danken. „Der Bürgermeister hatte seinerzeit das Haus bauen lassen, weil’s im Dorf keine Kneipe gab. Jetzt sollten Wohnungen daraus werden. Das fand ich nicht gut“, begründet Geleick seine Entscheidung.
Im zweiten Gang können sich die Gäste auf eine geschäumte Kürbissuppe freuen. Sie ist leicht und rund im Mund, geröstete Kürbiskerne sorgen für Textur. Kaum eröffnet, bremste Corona das Team um den Küchenchef abrupt aus. „Wir waren bereit loszulegen und wir durften nicht.“ In dieser Zeit bot Martin seinen Kunden einmal wöchentlich Bratwurst 2.0 an – eine Kombination der Thüringer Spezialität mit Röstzwiebeln und verschiedenen Beilagen. Die Bratwurst bezieht er von der ZGT Ernstroda. Hier zeigt sich, was längst Credo ist in der Neuen Mühle. Was an Produkten aus der Region bezogen werden kann, kauft Geleick auch hier ein. Fleisch aus Ernstroda, Gemüse und Kräuter von den Grünschäbeln aus Cobstädt, Tafelwasser aus dem Thüringer Wald. Selbstredend werden die Dinge saisonal erworben und verarbeitet.
Der Bachsaibling für den Fischgang ist in den Becken des Kresseparks in Erfurt aufgewachsen. In der Neuen Mühle ist er mit einer Kruste aus Serano-Schinken versehen, gebettet auf ein Graupenrisotto und Fenchelwürfel. Wie zuvor auch hat Sandra hier den perfekten Wein als Begleiter ausgesucht. Und auch das Getränk aus verschiedenen Obstsäften unterstreicht die Aromen des Fischganges. Danach kommt überraschend Eis auf den Tisch, Zitroneneis mit Olivenöl und Meersalz. Das ist keineswegs das schnelle Menüende mit dem Dessert. Die Mischung dient allein der Geschmacksneutralisierung. Schließlich folgt auf den Fisch- der Fleischgang.
Und den dominiert ein perfekt rosa gegarter Kalbstafelspitz, der auf einem Bett aus Wurzelgemüse und Würfeln von Brühkartoffeln liegt. Umkränzt wird das Ganze von einer Gremolata und einer dunklen Sauce. Mittlerweile sind mehr als zwei Stunden vergangen. Martin Geleick und Sandra Gutsche sind nach wie vor gut gelaunt. „Warum auch nicht? Wir haben Bock auf Arbeit! Es macht uns Spaß unsere Gäste zu verwöhnen. Sie stehen im Mittelpunkt und wir tun alles, damit sie zufrieden nach Hause gehen.“ Den Schlusspunkt setzt ein Dessert – eine Kombination aus Mousse au chocolat, einem kleinen Himbeerküchlein und Eis von Schwarzer Johannisbeere.
Menüs in der Neuen Mühle sind wichtiges Standbein. Und die wohl beste Art, die Vielfalt der gastronomischen Möglichkeiten zu zeigen. Ergänzt wird das durch ein á la carte-Geschäft. Und wer von Geleicks Wissen profitieren möchte, auf Anfrage öffnet er sein Haus für eine Kochschule. So gehoben die Gastronomie in der Neuen Mühle ist, eines ist sie nicht: abgehoben.
Weitere Infos: https://gasthaus-neue-muehle.de/
Bild: Das Gericht ist rosa gegarter Kalbstfelspitz, das andere zeigt Martin Geleick und seine Mitstreiterin Sandra Gutsche. | © Klaus-Dieter Simmen