Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Mit Juli ist bei mr-kartographie in Gotha (fast) alles anders. Die beiden Firmengründer – Manfred Müller und Klemens Richert – sind jetzt Angestellte in ihren ehemaligen Unternehmen. Anika Weber, bislang Mitarbeiterin, ist nun die Chefin. Und das ist gut so, finden die beiden Herren. Denn: „Mit Anika setzt eine Frau die Tradition der Kartographie in der Residenzstadt fort, die unsere hohen Qualitätsansprüche voll und ganz teilt.“ Was heißen soll: Wenn nun alles ganz anders ist, wird folglich bei mr-kartografie auch alles beim Bewährten bleiben.

Sie sind in der Tat so etwas wie die letzten Einhörner. Manfred Müller und Klemens Richert dürfen sich Kartographen nennen, weil sie ein entsprechendes Studium abgeschlossen haben. Damit sind sie Vertreter eines Berufstandes, den es heute nicht mehr gibt. Gegenwärtig sind Geodäten auf diesem Feld unterwegs. „Deswegen“, sagt Richert, „konnte uns das Finanzamt auch keine Steuernummer zuteilen, weil Kartographie in ihrer Welt nicht vorhanden ist.“ Da sie entfernt was mit Druck zu tun haben, landeten sie mit ihrer Firma in eben diesem Bereich. Gotha blickt auf eine über 200-jährige Tradition, begründet vom Justus-Perthes-Verlag, die wesentlich dazu beitrug, die weißen Flecken auf den Landkarten zu tilgen. Nun, solche unbekannten Territorien spielten in der mr-kartographie keine Rolle. Wie wohl die beiden Inhaber mit ihren Landkarten manches Neuland betraten.

Nachdem sie ihr Handwerk im volkseigenen Betrieb „Hermann Haack“ gelernt hatten, veränderte sich in Deutschland die politische Welt. Um ihrem Beruf treu zu bleiben, stellten sich beide auf eigene Füße, jeder zunächst für sich. „Dann haben wir gemerkt, wir beackern das gleiche Feld und stoßen immer wieder auf Berührungspunkte. Da lag es doch nah zu sagen, das können wir gemeinsam besser“, blickt Richert zurück. Ab dem 1. August 1992 steht das Unternehmen mr-karographie im Gewerberegister. Von Anfang an war es auf touristischem Gebiet erfolgreich. Einer der ersten und treuesten Kunden wurde der Verlag „grünes herz“ in Ilmenau. Verlagsleiter Lutz Gebhardt brauchte Wanderkarten – mr-kartographie lieferte sie. „Damals waren wir noch analog unterwegs“, sagt Manfred Müller. Das heißt, alle handwerklichen Fähigkeiten kamen zum Tragen, damit sich die Wanderer in Thüringen mit ihren Karten orientieren können.

Auch für den zweiten Kartographischen Betrieb in Gotha arbeitete das Duo. „Das ging so lange, bis sich der Klett-Verlag mit seiner Produktion von Landkarten für Schulen aus Gotha verabschiedete. Damit waren wir dann die einzigen, die in der Stadt die Tradition hochhielten“, sagt Manfred Müller. Neben dem Ilmenauer Verlag kamen mehr und mehr Tourismusverbände, die ihr Kartenmaterial in Gotha anfertigen ließen. In Nordrhein-Westfalen orientieren sich Wanderer im Naturpark Sauerland-Rothaargebirge mittels Wanderkarten aus Gothaer Produktion. Rund 30 verschiedene Wegführungen wurden für diese Region erarbeitet.

Daneben entstanden historische Karten, die Büchern beigelegt waren. Und auch für den Weltatlas vom Verlag Reader’s Digest produzierte das kleine Unternehmen Karten. „Das war 2011. Und diese Auflage wurde in 38 Sprachen übersetzt.“ Bei der Herstellung griffen die Kartographen auf eine selbstentwickelte grafische Darstellung zurück, nämlich auf Biotopkarten. „Da ist die Wüste nicht einfach gelb dargestellt und der Dschungel nicht einfach grün, sondern der Betrachter blickt auf eine Karte, die dem Blick eines Astronauten aus der Raumkapsel entspricht“, beschreibt Müller. Nicht nur dieser Verlag sicherte sich die Dienste der Gothaer. Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) weiß diese ebenfalls zu schätzen. Egal ob die Karte die wirtschaftlichen oder politischen Gegebenheiten einer Region widerspiegelt, mr-kartographie recherchiert akribisch die Fakten. Bücher oder andere Publikationen der BpB, die Kartenmaterial enthalten, bekommen dieses seit 2012 aus Gotha.

Biotopkarten entwickelten die Unternehmer auch für ihre Region. „Manfred wandert gern, ich fahr‘ gern Rad, entsprechendes Kartenmaterial gehört ohnehin zu unserem Programm, was also lag näher, als unsere Umgebung zum Thema zu machen?“ fragt Richert. Egal ob rund um Gotha oder der Hainich, ob Wartburgregion oder Werragebiet – all die Karten erlauben dem Nutzer einen tiefen Einblick in die Natur. „Auf unseren Biotopkarten ist zu sehen, wo welcher Wald wächst, welche Regionen Naturschutzgebiete sind und wo sich Brachflächen ausdehnen, kurz, die biologische-geoglogische Ausstattung der Region ist sichtbar.

Das Unternehmen in der Residenzstadt steht auch mehr und mehr für großformatige Landkarten in Ausstellungen; so entstand beispielsweise für Münster eine, auf der Klöster in Nordrhein-Westfalen im geschichtlichen Kontext zu sehen sind. Derzeit entwickelt die Firma kleinere Karten, die Platz auf Gedenksteinen finden, die in Osteuropa an die Gräueltaten der Nazis erinnern sollen.

Diese Vielfalt ist es, die das Unternehmen mit vier Mitarbeitern so erfolgreich macht. Damit das so fortbesteht, bleiben Manfred Müller und Klemens Richert noch eine Weile als Angestellte im Unternehmen. Keineswegs, um ihrer Nachfolgerin auf die Finger zu sehen, sondern um ihr sprichwörtlich unter die Arme zu greifen. „Sie leistet hervorragende Arbeit, das ist fraglos. Wir wollen, dass sie sich im Geschäftlichen genauso zu Hause fühlt“, begründet Richert die Entscheidung. Und so ganz ihrem angestammten Metier adé zu sagen, fällt den beiden so leicht nicht …

Bild: mr-kartographie: v. l. Manfred Müller, Anika Weber und Klemens Richert | © Klaus-Dieter Simmen

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