Regionalmanagement Thüringer Bogen:
Glas ist ein ebenso spröder wie faszinierender Werkstoff. Und Glas verlangt Sachkenntnis, viel Sachkenntnis. Karl Kutzer verfügt darüber. Und er hat sein Fachwissen weitergegeben. Als Meister in einem volkseigenen Betrieb in der DDR hat er viele Lehrlinge als Glasveredler ausgebildet, bis ins Jahr 1990. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands bröckelte die Glasindustrie in Ilmenau. Karl Kutzer bangte um seine berufliche Zukunft. Kurzerhand beschloss er, sich auf eigene Füße zu stellen.
Das war ungeheuer mutig, findet seine Tochter Kerstin Amarell, die heute den Familienbetrieb leitet.
Mein Vater hatte keinen Kundenstamm, keine Formen, keine Maschinen und keine Ahnung von marktwirtschaftlicher Unternehmensführung,
erinnert sie sich. Doch um Finanzen und Bilanzen der jungen Firma kümmerte sich fortan die Tochter, der Vater krempelte die Ärmel hoch und schuf wunderschöne Kristallgläser. Zudem baute er die Firma zu einem Handwerksbetrieb aus, der sich auf vielfältige Art und Weise auf Glasver- und -bearbeitung spezialisierte.
Auf Messen in Frankfurt am Main und in Leipzig und andernorts überzeugte Kutzer mit seinen Kreationen potenzielle Käufer. Die Kundenkartei seines Unternehmens, das er Rennsteig-Kristall getauft hatte, wuchs zusehends.
Wir lieferten unter anderem in die USA und nach Frankreich,
erzählt die Firmeninhaberin. Ihr Fachschulabschluss in Ökonomie war eine prima Grundlage für die Buchhaltung, im Glashandwerk nutzte er freilich wenig. Also lernte sie zusätzlich Glasschleiferin. Die kunstgewerblichen Glaserzeugnisse von Vater und Tochter waren gefragt – bis Kristallglas aus dem Ausland, vornehmlich Tschechien und Rumänien, spürbar Konkurrenz machte.
Zum Glück hat mein Vater von Anfang an auf verschiedene Standbeine gesetzt,
sagt Amarell. Turbulenzen auf dem Markt konnten so ausgeglichen werden.
Der kleine Betrieb in der Unterpörlitzer Straße kann Glasrohre und Glasstäbe trennen. Glas schleifen, sowohl im Flächen-, Oliven- als auch im Kantenschliff. Hochglanzpolitur der getrennten und geschliffenen Oberflächen gehört ebenfalls zum Leistungsspektrum wie Mattieren durch Sandstahlen. Glasgravuren nach Kundenwünschen und Sonderanfertigungen sind selbstverständlich möglich. Und wenn ein gutes Stück einmal Schaden nimmt, Rennsteig-Kristall kann mit seinem Reparaturservice vieles retten.
Mit dieser Vielseitigkeit sind wir gut aufgestellt. Mit unseren bearbeiteten Glaseinsätzen fertigen Kunsthandwerker Grablampen oder Laternen, wir beliefern Lampenhersteller und Möbelproduzenten,
sagt die Unternehmerin. Möglich sei diese Mannigfaltigkeit auch, weil der Familienbetrieb mit regionalen Unternehmen der Branche kooperiert. So ist es wenig verwunderlich, dass auch pharmazeutische und medizin-technische Produkte zum Portfolio gehören. Besonders stolz ist Kerstin Amarell darauf, dass sie mit Florian Möbius und Valerij Schreiner mittlerweile zwei Mitarbeiter beschäftigt.
Seit zehn Jahren leisten sie gute Arbeit,
betont sie. Doch nicht nur die Facharbeiter sind eine wichtige Stütze. Längst im Ruhestand hilft Karl Kutzer gemeinsam mit seiner Ehefrau immer noch bei Rennsteig-Kristall aus.
Bild: Mitarbeiter Florian Möbius beim Schleifen von Glasscheiben für Grablampen. | © Klaus-Dieter Simmen