Regionalmanagement Thüringer Bogen:
Mit 67 müsse man eine Entscheidung treffen, sagt Jörg Wachsmuth. Und deshalb entschloss er sich, die Bauschlosserei im Emleber Gewerbegebiet zu schließen. Nach 30 langen und vor allem spannenden Jahren war am 1. Juli Schluss. Eine neue Arbeitsstelle mussten sich seine drei Mitarbeiter allerdings nicht suchen.
„Ich habe mit meiner Frau besprochen, ob wir die Halle vermieten oder verkaufen und letztlich haben wir uns für letzteres entschieden“, sagt er. Angebote gab es viele, eines ragte heraus. „In dieser Offerte habe ich meine Firmenphilosophie wiedergefunden. Und schon in den ersten Gesprächen bestätigte sich das.“ Wachsmuth war mit seiner Firma international tätig, baute in England Lidl-Märkte mit auf. Trotzdem war für ihn die regionale Wurzel immer wichtig.
„Wenn Tante Frieda einen neuen Aschenkasten brauchte, dann haben wir diesen angefertigt.“ Daran werde sich auch künftig nichts ändern, verspricht Valdir Werner. Gemeinsam mit Martin Förste ist er Betriebsleiter der Nachfolge-Firma E. R. S. Steuerungstechnik in Emleben. Diese wiederum gehört zur HDAO-Gruppe mit rund 500 Beschäftigten. „Hier bieten wir Kompetenz in den Bereichen Automatisierung, Steuerungstechnik, mechanische und elektrische Anlagenmontagen sowie industrielle Dienstleistungen“, klärt der Betriebsleiter auf. Was bislang fehlte, ist Metallbearbeitung. In Emleben schließt die im baden-württembergischen Osterburken beheimatete Firmengruppe diese Lücke.
„Und ich freue mich, dass die neue Firma nicht nur meine drei Mitarbeiter, die Maschinen und die Fahrzeuge übernommen hat, sondern sie auch in meinem Sinn weiterführt.“ Dazu zähle auch das Englandgeschäft, sagt Wachsmuth. Seit rund zwei Jahrzehnten ist das Emleber Unternehmen dabei, wenn auf der Insel ein neuer Lidl-Markt entsteht. Alles, was hier an Schlosserarbeiten nötig ist, kommt aus dem Landkreis Gotha. Daran hat auch der Brexit nichts geändert. „Die Bürokratie hat zugenommen“, erzählt der ehemalige Firmeninhaber. Bis zu 60 Formularblätter seinen vor der Einreise auszufüllen. „Doch unterm Strich funktioniert auch nach dem Brexit unser Geschäft mit dem Discounter in Großbritannien“, so Jörg Wachsmuth. Der Nachfolger hält daran fest. Gegenwärtig werden in der Werkstatt erneut Teile für den nächsten Lidl-Markt in England gefertigt. Die HDAO-Gruppe ist auch an einem zweiten Standort in Thüringen aktiv, nämlich beim Bau der Fabrik des chinesischen Herstellers CATL in Arnstadt. Hier entsteht Europas größte Batteriefabrik für Elektroautos.
Als Jörg Wachsmuth vor 30 Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, ging der Blick von Anfang an über der Tellerrand hinaus. „Zunächst kamen Aufträge von jenseits der Kreisgrenze, dann übernahmen wir welche aus anderen Bundesländern“, erinnert er sich. Das brauchte zumindest anfangs einen langen Atem, doch all die kleinen Aufträge aus der Region machten das möglich. „Dass die Kunden uns über die Jahrzehnte treu geblieben sind, war ein Garant für den Erfolg unseres Unternehmens.“ Dafür ist er ihnen auch über das Fortbestehen der Bauschlosserei hinaus dankbar.
So ganz verabschiedet sich Jörg Wachsmuth nun doch noch nicht in den Ruhestand. Für eine Weile will er, nun als Mitarbeiter des Nachfolgeunternehmens, diesem den Start in Emleben erleichtern helfen. Darüber freuen sich die Betriebsleiter Werner und Förste. Am alten Standort unter neuem Namen gibt es auch weiterhin Schweißarbeiten, Stahlkonstruktionen, Podeste, Treppen, Balkone und Zäune samt Toranalgen. Und natürlich auch den immer wieder gern von Wachsmuth als Beispiel zitierten Aschekasten für Tante Frieda.
Bild: Jörg Wachsmuth (l.) fand in Valdir Werner einen passenden Nachfolger. | © Klaus-Dieter Simmen