Regionalmanagement Thüringer Bogen:
„Es ist die Bibel vom Urgroßvater“, sagt Peter Mario Weisheit und schiebt ein Etui daneben. „Und mit dieser Brille hat er darin gelesen.“ Beides wird in der Ausstellung im Kunstforum Gotha zu sehen sein, die am 4. April öffnete und die 125-jährige Geschichte der weltberühmten Hochseilartisten erzählt. „Wir freuen uns nicht nur, dass wir dieses Exponat zeigen können, die Bibel trägt auch viele handschriftliche Notizen vom Gründer der Geschwister Weisheit.“ Da sei manches für die Familie neu gewesen und habe deren Geschichte erhellt, erfreulicherweise. Das Buch hatte eine Cousine von Rudi Weisheit, Ehrenbürger der Stadt Gotha, über die Jahre aufgehoben. „Unser Jubiläum war ihr Anlass, es meinem Vater zu übergeben, damit die Heilige Schrift in der Familie aufbewahrt wird.“
Historische Dokumente spielen ohnehin bei den Weisheits gegenwärtig eine bedeutsame Rolle. Für die Schau im Kunstforum wurden und werden Exponate zusammengetragen. Die Zeit des Begutachtens und Abwägens, das Sortieren von Fotos freilich ist vorbei. Jetzt geht es darum all die Dinge, die Zeugnis von der bewegten Familiengeschichte geben, zu einem nachvollziehbaren Ganzen zu fügen. Dafür hat die Familie Max den Hut aufgesetzt, der sich der Aufgabe mit viel Enthusiasmus widmet. „Es sind Kaufbelege für Wohnwagen, Berufsausweise der Artisten aus verschiedener Zeit, Vorschlaghammer und Ankereisen, um zu zeigen, welche Werkzeuge uns in unserem Beruf begleiten, aber auch die Reisegenehmigungen aus der Nazizeit. Requisiten wie historische Motorräder und auch ein Modell unseres gesamten Aufbaus aus den 90er Jahren sind zu sehen.“ In mancher Zeit, so Peter Weisheit, hatte es das fahrende Volk nicht leicht. Während der Naziherrschaft wurde es argwöhnisch betrachtet. Dass der Opa die entsprechende Bescheinigung zum Reisen hatte, war auch der Oma zu danken, die als staatliche geprüfte Schauspielerin den Anforderungen genügte.
Reflektiert ist auch die DDR-Zeit, in der die Gothaer Artisten 1980 mit dem Kunstpreis der DDR ausgezeichnet wurden. „Das ist die höchste Auszeichnung, die Artisten im Arbeiter- und Bauernstaat bekommen konnten. Uns gelang das ohne SED-Parteibuch.“ Das ändert nichts daran, dass die Funktionäre etliche Widrigkeiten für die Artisten bereithielten, was auch in der Ausstellung dokumentiert wird, wie der Hochseilartist betont. Welche Zäsur die Wende für die Truppe brachte, verschweigt sie ebenfalls nicht. „Unsere Fahrzeuge überaltert, die Technik unmodern, die Lautsprecher quäksig – das musste alles auf Vordermann gebracht werden, wollten wir in Zukunft bestehen.“ Dem Besucher wird in der Ausstellung deutlich, wie sehr all diese Dinge einen kleinen Betrieb fordern, aber auch, wie eng die Familie dadurch zusammengeschweißt wird.
Besonders freut sich die Familie Weisheit auf die Begegnungen mit den Menschen im Kunstforum. Es gehört zum Konzept der Ausstellung, dass die Artisten mit interessierten Besuchern ins Gespräch kommen. Einerseits Fragen beantworten, andererseits Geschichten aus 125 Jahren erzählen – das sei eine wirklich gute Idee.
Natürlich bekommen die Gäste zum Thüringentag, in den das Artisten-Jubiläum ebenso eingebunden ist wie in die 1250 Jahrfeier, auch die Artistik der Hochseiltruppe zu sehen. Sieben Shows sind vorgesehen, wo natürlich die unterschiedlichen Programme, nämlich die historische, die Hochseil- und die Motorradshow dargeboten werden. Die Besucher dürfen sich dazu auf zwei nächtliche Vorstellungen freuen.
Peter Mario Weisheit | © Simmen