Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Den Besucher machen Hinweisschilder auf die Streuobstwiese aufmerksam. Das zeigt: Die Hainaer wissen, welchen Schatz sie da unmittelbar vor ihrer Haustüre haben. Streuobstwiesen sind nicht selten Schutzort seltener Obstsorten. Seit Jahrzehnten allerdings wurden keine neuen Bestände angelegt; unter den aktuellen Marktbedingungen sind sie nicht wirtschaftlich. Allerdings hat der Freistaat Thüringen erkannt: Naturschutz, Landschaftspflege und letztlich der Erhalt seltener Sorten sind von öffentlichem Interesse und hat ein Programm zum Schutz der Streuobstwiesen aufgelegt. Davon hat auch die etwa fünf Hektar große Anlage in Haina im Gothaer Land profitiert.

Die Hainer nutzen die Ernte von ihrer hoch über dem Nessetal gelegenen Streuobstwiese nicht erst, seit Thüringen sein Herz für diese entdeckt hat. Der nahegelegene Kindergarten nutzt die Früchte schon lange für einen abwechslungsreichen Speiseplan für die Kleinen. Das bedeutete auch Pflegemaßnahmen für den Bestand. Diese bekamen allerdings eine umfassendere Struktur, seit sich die Natura 2000-Station Gotha/Ilm-Kreis in Mühlberg der Anlagen annahm. Hier werden die Fördermittel vom Freistaat koordiniert. Für Haina bedeutete das konkret, dass neben Baumschnittmaßnahmen auch eine Sortenbestimmung vorgenommen wurde. Und die brachte Erstaunliches zu Tage.

Dafür zeichnete Ingo Rintisch, Gärtnermeister und Pomologe aus Herbsleben, verantwortlich. Vor Jahresfrist nahm er die Kernobstfrüchte unter die Lupe. Auf der Fläche haben die Hainer im Laufe der Zeit beachtliche 82 Obstsorten gepflanzt.  68 davon sind Kernobst, der Rest Steinobst. Letzterem widmete sich Annette Braun-Lüllemann, die herausfand, dass ausschließlich Sorten, die zu DDR-Zeit gezogen wurden, dort stehen. Keine Aufreger beim Steinobst also, dennoch gibt es das Prädikat schützenswert.

Anders sieht es beim Kernobst aus. „Die Vielfalt ist überraschend“, sagt Rintisch. Und bei einigen der Sorten, die er identifizierte, schnalzt er mit der Zunge. „Der Rote Winterkalvill ist höchst selten. Und die Graue französische Renette habe ich in Thüringen überhaupt noch nicht gesehen.“ Nils Heinrich von der Natura 2000-Station Gotha/Ilm-Kreis nickt bestätigend. „In Haina kommen sieben Obstsorten vor, die als selten oder extrem selten gelten.“  Und er zählt auf: Boikenapfel und Renette aus Orleans, Stuttgarter Gaishirtle, Großherzog von Baden und Diels Butterbirne. Einige davon sind in Thüringen rar, anderswo nicht, andere kommen deutschlandweit kaum noch vor. „Und es gibt auf der Karte der Hainaer Streuobstwiese noch weiße Flecken“, sagt der Pomologe. Da, wo sich vor Jahresfrist keine Früchte entwickelten, hofft er nun auf diesen Herbst, um weitere Sorten zu bestimmen.

Die seltenen Sorten tragen seit Sommer Schilder aus wetterfesten Planen gefertigt, auf denen über Sorte und Eigenschaften informiert wird, ebenso sind die Früchte abgebildet. Ein Spaziergang über die Hainaer Streuobstwiese ist auch ein Ausflug in die Geschichte der Obstkultivierung. Damit die Vielfalt erhalten bleibt, hat Nils Heinrich Reiser von den Raritäten gezogen, Ingo Rintisch kümmert sich in seiner Gärtnerei um die Aufzucht. Damit können altersbedingte Verluste ausgeglichen werden. Auf weiteren Streuobstwiesen im Landkreis sollen ebenso die Sorten bestimmt werden. Das betrifft den Seeberg, den Kirchberg in Kornhochheim und die Wiese im Ochsengarten Mühlberg. Sie alle sind ortsnah und damit für viele Interessenten gut erreichbar.

Bild: Streuobstwiese Haina | © Klaus-Dieter Simmen

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