Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Im August vergangenen Jahres bestand Carolin Borchard ihre Gesellenprüfung. Mit Bravour, denn mit dem Kopf einer Dragqueen, den sie als Gesellenstück schnitzte, wurde sie Thüringens Jahrgangsbeste. Folgerichtig trat sie beim Bundeswettbewerb an, wo sie immerhin mit einer Empfehlung für den Wettbewerb „Die gute Form“ abschloss. Dort konnte sie sich über den dritten Rang freuen. In dieser Zeit wohnte die junge Frau bereits in Gotha. Bei der Stiftung Schloss Friedenstein absolviert sie nämlich ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ).

Auf geradem Weg ist sie freilich nicht in die Schnitzschule Empfertshausen in der Rhön gelangt. Wohl aber mit großer Zielstrebigkeit. Carolin Borchard erwarb in Kassel die Hochschulreife und ging nach Marburg mit dem Ziel, Lehrerin zu werden. Deutsch und Geschichte haben es ihr angetan. Nach vier Semestern war ihr klar, die engen Strukturen, die das Lehramt mitbringt, sind nichts für sie. „Ich wollte einen Beruf, der mir kein Korsett anlegt“, sagt sie. Künstlerisch sollte er sein und handwerklich zugleich. Und so überlegte sie, welcher Werkstoff sie begeistert. Am Schluss aller Überlegung blieb Holz übrig.

Nun ist es keineswegs so, dass die Bildhauerin beim Anblick von Holz und einem Messer von Kindesbeinen an in Verzückung geriet. Sie zeichnete zwar viel und malte, an Skulpturen hingegen versuchte sie sich nicht. Deshalb waren die Eltern ziemlich erstaunt, als sich die Tochter in Empfertshausen bewarb und auch noch angenommen wird. „Handwerk kann man lernen“, sagt die junge Frau, „was mitzubringen ist, ist Kreativität und künstlerisches Verständnis.“

Viele, die in der Rhön das Holzbildhauerhandwerk erlernt haben, lassen sich dann mit eigener Werkstatt nieder. „Ja, das ist vornehmlich bei jenen der Fall, die aus einer Schnitzerfamilie kommen. Werkstatträume sind vorhanden, das Unternehmen alteingesessen.“ Carolin Borchard ging einen anderen Weg. Auf Schloss Friedenstein gibt sie Workshops, begeistert Mädchen und Jungen für ihr Kunsthandwerk. Damit diese auch Erfolgserlebnisse haben, verlegt sie sich auf Kerbschnitte, mit denen hübsche Ornamente gestaltet werden. Carolin beschränkte sich nicht nur aufs Gothaer Schloss, sondern knüpfte Kontakte in der Stadt. So zum VHS-Bildungswerk, wo sie ebenfalls Workshops anbietet.

Das Freiwillige Jahr geht zu Ende. Und die Kunsthandwerkerin nach Hildesheim. Dort studiert sie nach dem Sommer Kulturwissenschaft und künstlerische Praxis mit dem Hauptfach Bildende Kunst. Wobei sie keineswegs auf ihr handwerkliches Geschick verzichten will. Nach dem Studium will sie ihr theoretisches Wissen mit dem handwerklichen Können verknüpfen. „Ich gehe zwar von Gotha weg, doch will ich nicht alle Wurzeln ausreißen“, verspricht sie. Dazu habe sie die Stadt viel zu liebgewonnen. Deshalb wird sie im Netzwerk, das sie während des FSJ aufgebaut hat, weiterhin Workshops geben.

Ob sie dann tatsächlich nach Gotha zurückkehrt, vermag Carolin nicht zu sagen. „Wer weiß schon, was passiert. Sicher ist aber, dass ich der Mitte Deutschlands nicht den Rücken zukehren werde. Und von hier sind alle Wege nach Gotha kurze Wege.“

Auch wenn die Kunsthandwerkerin keine eigene Werkstatt hat, ein Schnitzblock steht in ihrer Wohnung. Da kann sie kleinere Arbeiten in Angriff nehmen. Übrigens nicht nur aus Holz, sondern auch aus Ton oder Gips. Hauptsächlich entstehen da Portraits. „Das Thema Mensch interessiert mich schon lange Zeit, weil es so vielgestaltig ist.“

Bild: Mit dieser Arbeit wurde Carolin Borchardt Jahrgangsbeste. Der Mensch spielt in ihrem Schaffen eine große Rolle. | © Klaus-Dieter Simmen

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