Regionalmanagement Thüringer Bogen:
Gotha ist eine Stadt der Kultur und der Wissenschaft, seit Jahrhunderten ein Hort der Bildung. Und sie ist eine Industriestadt mit beachtlicher Historie. Das widerspiegelt eine Ausstellung, die derzeit im Ziegelbau Friemarer Straße 38 zu sehen ist.
Am Ort, wo einst Mauersteine und Dachpfannen in der Firma Friedrichs gebrannt wurden, entstand nach der Wende das Existenzgründerzentrum. Mithin ist wohl kaum ein Ort in der Residenzstadt geeigneter, einen Blick auf die industrielle Entwicklung zu ermöglichen. Entstanden sei diese Schau schon vor Corona, sagt Matthias Wenzel, Vorsitzender des Vereins für Stadtgeschichte. Der Plan war, diese nach seiner Präsentation in der Gedenkstätte „Tivoli“ auf Wanderschaft gehen zu lassen. Das durchkreuzte die Pandemie.
„Deswegen sind wir froh“, sagt Wenzel, „diese Zusammenfassung der Gothaer Industriegeschichte an dieser Stelle zu zeigen.“
Und natürlich stößt der Besucher gleich am Eingang auf eine Vitrine, in der neben anderen Ausstellungsstücken zwei Dachziegel präsentiert werden, die im Ringofen der Ziegelei Friedrichs entstanden. Als 2018 in Thüringen das Themenjahr „Industrialisierung und soziale Bewegungen“ lief, nutzte der Verein die Chance, mit Fördermitteln die Ausstellung „Von der herzoglichen Residenz zur Industriestadt“ aufzubauen. Originale Produkte aus verschiedenen Gothaer Industriebetrieben illustrierten die Informationen auf den 18 Rollups. Zu sehen sind Erzeugnisse aus der Porzellanmanufaktur, aus der Firma Ruppel und Devotionalien aus verschiedenen Gothaer Brauereien. Einen Bierhersteller gab es einst am Seeberg, wo heute die Firma Pero ihren Sitz hat, in der Pfortenwallgasse und nicht zu vergessen die bekannte Arnoldi-Brauerei.
Zunächst bekommt der Besucher einen kurzen Überblick zur Stadtgeschichte, was wichtig ist, wenn die Wanderausstellung außerhalb Gothas gezeigt wird. Dann folgt gleich der Einstieg in Bedingungen, die in der Stadt vorhanden waren. Das Manufakturwesen wird aufgezeigt, die Infrastruktur von Eisenbahn über Gaswerk bis hin zum Elektrizitätswerk. Auch Arnoldis Bedeutung für die Stadt ist nicht vergessen.
„Wichtig für uns ist, zu zeigen, wie vielfältig sich Gothaer Industrie entwickelt hat“,
betont der Vereinsvorsitzende. Und er verweist auf die Firma Bothmann, die sich mit Karussellbau einen Namen machte. 1883 lieferte die Firma Fritz Bothmann ihr erstes Karussell nach Erfurt, das mit Dampf betrieben wurde. Später gründete Bothmann die Gothaer Waggonfabrik. Die Schau blickt auch auf den Flugzeugbau in der Stadt, wo die berühmte Gotha Taube gefertigt wurde. Ebenso wird der Straßenbahnbau thematisiert.
Nicht vergessen ist auch Gothas kulinarische Seite, besonders was die Wurstherstellung betrifft. Selbst kleinere Fleischereien hätten sich als Wurstfabrik bezeichnet, sagt Wenzel mit einem Augenzwinkern, allerdings hätten auch viele Unternehmer ihre Würste, insbesondere Dauerwürste, in viele Teile der Welt exportiert. Für den Export entstanden auch viele Produkte in der Gummiindustrie der Stadt. Dafür stand der Markenname Gothania, so unter anderem auch bei Feuerlöschschläuchen.
Interessant die Gothaer Porzellangeschichte, die bereits 1757 beginnt. Kammerrat Rotberg gründete die Manufaktur seinerzeit. Damit durfte sie sich zu einer der ältesten in Europa zählen. Das Aus kam 1934. Zu den bekannten Gothaer Porzellanherstellern gehörte auch Pfeffer. Dessen Porzellantiere werden heute noch von Sammlern hoch gehandelt.
Die Ausstellung beschränkt sich auf die Zeit bis 1933 und bietet einen umfassenden Überblick über die Industriegeschichte einer Stadt, die in Forschung und Entwicklung in einigen Bereichen durchaus ein Schwergewicht in den verschiedenen Epochen war. Zu sehen ist sie in der Friemarer Straße bis zum Tag des offenen Denkmals im September.
Bild: Matthias Wenzel beim Betrachten der Ausstellung | © Klaus-Dieter Simmen