Regionalmanagement Thüringer Bogen:
Dass jemand im Gartenhaus Kaffee bereitet, ist in keiner Weise verwunderlich. Wenn sich jemand allerdings dorthin zurückzieht, um Kaffee zu rösten, sieht das schon anders aus. Na ja, wohin soll ich sonst gehen, wird Nils Baumgart antworten. Schließlich steht im Gartenhaus der Röstapparat. Bei einer Rösterei, die zum Zwecke des Broterwerbs arbeitet, wäre eine Anlage dort ziemlich fehlplatziert. Doch Baumgart verwandelt grüne in herrlich duftende, braune Bohnen weil’s ihm Spaß macht, weil er findet, dass es ein prima Hobby ist.
Wenn er erzählt, wie er zu diesem Steckenpferd kam, muss er bei jenem Weihnachtsfest beginnen, an dem der nach Schweden ausgewanderte Bruder in seine Wandersleber Heimat gereist war. „Wir saßen lange am Abend beieinander“, erzählt Nils Baumgart, „und zum Abschluss eines wunderbaren Familienfests gab es, wie auf dem Dorf üblich, einen Kaffee.“ Und der habe überhaupt nicht geschmeckt. Nils machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. „Und da sagte mein Bruder, wenn‘s dir nicht schmeckt, röste doch deinen eignen Kaffee.“
Wenige Tage später, im Januar, fuhr der Wandersleber nach München, lud in einer kleinen Kaffeerösterei einen Apparat auf den Hänger und lenkte das Auto zufrieden zurück nach Thüringen. „Die Maschine hatte einige kleine Schäden, die mein Vater und ich repariert haben.“ Das Abenteuer rösten konnte starten. Doch dazu braucht‘s grüne Kaffeebohnen. „Und die in ausreichender Menge zu besorgen, brauchte deutlich mehr Zeit und Engagement“, blickt der junge Mann zurück. Kleine Mengen seien leicht zu kriegen.
Nach verschiedenen Anlaufpunkten landete Baumgart bei zwei Brüdern, die in Kassel eine Kaffeerösterei betreiben. Sie stammen aus Uganda und beziehen ihren Kaffee von heimischen Plantagen. Bei ihnen konnte der Hobbyröster nicht nur das Ausgangsprodukt kaufen, er lernte auch eine ganze Menge über Röststufen, über Eigenschaften der Sorten Arabica und Robusta, über Säure im Kaffee und sinnfällige Mischungen. Jetzt brauchte es ansprechende Verpackungen, in die der geröstete und gemahlene Kaffee oder die ganzen Bohnen abgefüllt werden können. Entsprechende Tüten gibt’s in einer Firma in Leipzig. Das Design dafür entwarf ein Grafiker in Wien, der gar nicht verstehen konnte, dass der Wandersleber mit seinem ersten Entwurf vollauf zufrieden war. „Er hat mir halt gleich prima gefallen“, entgegnet Baumgart.
So nahm eine Idee mehr und mehr Gestalt an. Jetzt gibt es Kaffee mit dem klangvollen Namen Vollpracht im Henningshof und in der Tankstelle in Wandersleben, beim Bäcker und ebenfalls in der Tankstelle in Mühlberg und in Tankstellen in Wandersleben und im Gewerbegebiet Laucha. Und auf Märkten in der Region ist Nils Baumgart auch zu finden, wo er seine Produkte anbietet. Eine große Hilfe ist ihm dabei die Freundin, die „ein glückliches Händchen hat, um unseren Stand sehr attraktiv für Kunden zu machen.“
Und mit Kaffee ist der Mann, der im Hauptberuf Heizungsanlagen für große Unternehmen plant, offenbar noch nicht ausgelastet. Als er in Kassel wieder Nachschub für die Rösterei holte, legten ihm die Geschäftspartner als Zugabe eine große Menge Vanille obendrauf. „Die bauen sie in Uganda auch an“, sagt Baumgart. Schon auf der Heimfahrt kam ein Gedanke in den Vordergrund, den der Kaffee in verdrängt hatte. „Ja, ich wollte einmal meinen eignen Gin machen, habe das aber dann aus den Augen verloren“, sagt er. Mit Wacholder und der Vanille sowie Orangen und Zitronen mazerierte er hochprozentigen Alkohol. „Und schon die erste Mischung war ein Volltreffer. Mein Gin schmeckte genauso, wie ich ihn mir erträumt hatte.“ Das Produkt bekam den Namen Gin Sunrise und wurde abgefüllt – und kam bei den Kunden sehr gut an. „Dann kam die Nachfrage nach ganz kleinen Abfüllungen, was ich aber aus zeitlichen und technischen Gründen nicht leisten kann.“ Als Alternative bietet der Hobbyhersteller Gin-Tonic an, in 0,33-Flaschen abgefüllt.
Derzeit überlegt Nils Baumgart das Tonic für seinen Gin selbst herzustellen. Mit dem Produktionsprozess hat er sich schon mal vertraut gemacht. Das wäre dann aus seiner Sicht das perfekte Produkt. Zu haben sein könnte es dann auch im Freudental. Der neue Wirt der beliebten Ausflugsgaststätte zeigt Interesse an den Erzeugnissen aus der Nachbarschaft. Vor allem hofft Nils, dass dort wieder Kontinuität einkehrt. Das fände er wichtig für die Region. Im Drei-Gleichen-Gebiet ist Baumgart zu Hause, hier engagiert er sich in unterschiedlichen Vereinen. So ist er, der einst als Sechsjähriger erste sportliche Erfahrungen im Boxclub machte, heute dort selbst Trainer – für den Nachwuchs.
Foto: Nils Baumgart mit seiner Kaffeeröstung | © Simmen