Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Gemeinhin verbindet der Mensch ein Heringsfest mit Örtlichkeiten in Meeresnähe. Im Thüringer Wald verortet man eine entsprechende Festivität wohl kaum. Und doch, im beschaulichen Geraberg wird Jahr für Jahr einem der bekanntesten Speisefische ein ganzer Sonntag gewidmet, vornehmlich um Pfingsten herum. Das, sagt Detlef Bräuning, sei keineswegs aus einer Laune heraus entstanden. Er muss es wissen, ist er doch 1. Vorsitzender des Sportfischervereins Geratal. Und der organisiert schon seit 21 Jahren das wohl einzige Heringsfest im Freistaat.

„Dabei hat es mit Sportangeln rein gar nichts zu tun“,

erklärt der Mann. Der Ursprung liegt weit zurück, in jener Zeit also, da in den Tiefen der Baumbestände des Thüringer Waldes Harzscharrer, Pechsiedler und Kienrußbrenner ihrer Arbeit nachgingen. Daran erinnert unweit von Geraberg, nämlich in Martinroda, eine Pechkuhle, die mitten im Wald entdeckt wurde.

„Auch um unseren Ort wurde aus dem Harz der angezapften Bäume das begehrte Pech gewonnen“,

sagt Bräuning. Das sei übrigens nicht schwarz, sondern goldgelb gewesen. Von hier aus lieferten die Pechsieder ihr Produkt bis nach Hamburg, wo es zum Abdichten der Schiffsplanken genutzt wurde. Und wenn sie, traditionell nach Pfingsten, aus dem Norden zurückkamen, hatten sie stets auch ein Fass mit in Salzlake eingelegten Heringen dabei. Weil sie die Früchte ihrer Arbeit geerntet und eine beschwerliche Reise schadlos überstanden hatten, tischten die Frauen ihren fleißigen Männern an einem Sonntag jede Menge Heringsgerichte auf.

„Da die Menschen in unserem Dorf immer schon traditionsbewusst waren, feierten sie in Erinnerung an ihre Geschichte regelmäßig das Heringsfest“, sagt Bräuning, „schon seit mehr als einhundert Jahren.“

Selbst die DDR-Zeit konnte das nicht stoppen, auch wenn dieses spezielle Fest in größere Ereignisse eingebunden wurden. Schluss war schlagartig mit der Wiedervereinigung. Die Menschen hatten andere Dinge im Kopf. Vergessen jedoch war das Heringsfest nicht. Die Mitglieder des Sportfischervereins Geratal beschlossen, dieser Tradition wieder Raum zu geben.

„Das war vor 21 Jahren. Seitdem lockt das Fest nicht nur unsere Bürger.“

Fischliebhaber aus fast ganz Thüringen finden den Weg in die Kommune nahe Ilmenau. Und es lohnt sich. Verschiedene Fischgerichte werden angeboten: Fischbrötchen, aber auch Lachsrolle und Sushi, Fischsuppe und gebratene Filets oder der beliebte Heringsschlamper.

li.: Leckere Fischgerichte überzeugten auch diesmal die Besucher in Geschmack und Vielfalt. | Mitte: Der Förderverein der Regelschule Geraberg bot wie immer Kuchen an und in diesem Jahr erstmals auch Waffeln, die von Frau Rinn, Vorsitzende des Fördervereins, mit ihrer Tochter gebacken und verakuft wurden. | re.: Noch haben Johannes und Ivor nichts gefangen, aufgeben wollen die Nachwuchsangler aber nicht.

„Unsere Gäste wissen zu schätzen, dass unsere Vereinsmitglieder all das selbst zubereiten. Das bedeutet, sie müssen ihre Ärmel schon Tage vor dem eigentlichen Fest hochkrempeln“,

erzählt der Vereinsvorsitzende. Einmal wurden auf diese Weise 420 Kilogramm Fisch verarbeitet – und aufgegessen. Auch am Sonntag zeigte sich, wer nicht rechtzeitig erschien, kann längst nicht mehr aus der vollen Angebotspalette schöpfen.

Neben kulinarischen Genüssen sorgen die Gerataler Sportfischer in bewährter Manier für musikalische Leckerbissen.

„Wo gibt es das schon, über viele Stunden beste musikalische Unterhaltung?“,

fragt Bräuning. Deswegen versteht er nicht, dass Gäste die Nase rümpfen, weil fünf Euro Eintritt verlangt werden.

„Die Künstler treten nicht umsonst auf, dafür müssen wir tief in die Tasche greifen.“

Das Eintrittsgeld hält er für moderat, zumal Kinder kostenlos dabei sein dürfen. Und bei den Preisen für die Fischgerichte spiegelt sich die allgemeine Kostensteigerung auch nicht wider. Rund 60 Ehrenamtler sind vor, zum und nach dem Heringsfest im Einsatz, damit alles wie am Schnürchen klappt. So wie an diesem 26. Mai.

Bilder: © Klaus-Dieter Simmen

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