TU Ilmenau:

Werkstoffwissenschaftlern und Physikern der TU Ilmenau ist es in interdisziplinärer Zusammenarbeit gelungen, erstmals die Struktur poröser Gold-Nanopartikel, so genannter Gold-Nanoschwämme, detailliert zu untersuchen und ähnliche Schwammgeometrien automatisiert am Computer zu erstellen. Dies eröffnet vollkommen neue Möglichkeiten für eine kostengünstige Produktion von Nanoantennen, die die Grundlage zahlreicher bahnbrechender Anwendungen wie der katalytischen CO2-Reduktion, der Wasserspaltung oder von hochsensitiven Sensoren ist. Die Ergebnisse ihrer Forschungen, die in Zusammenarbeit mit Experimentalphysikern der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg entstanden sind, haben die Wissenschaftler in der Fachpublikation Nature Communications Materials veröffentlicht.

Ähnlich wie Wasser oder Schall besitzt Licht die Eigenschaften von Wellen. Daher sind mit einem Mikroskop auch bei starker Vergrößerung nur solche Objekte sichtbar, die deutlich kleiner als die Wellenlänge des Lichts sind. Nanoantennen, das heißt winzige optische Antennen, die in der Regel weniger als hundert Nanometer messen und somit etwa tausendmal schmaler als ein menschliches Haar sind, ermöglichen es, diese Abbesche Beugungsgrenze zu überwinden: Daher sind mit einem Mikroskop auch bei starker Vergrößerung nur solche Strukturen auflösbar, die in etwa so groß wie die Wellenlänge des Lichts sind. Die ultrastarke Lichtintensität, die daraus resultiert, ermöglicht bahnbrechende Anwendungen wie die plasmonische Wasserspaltung zur Erzeugung von Wasserstoff. Derzeit sind für die Herstellung solcher Nanoantennen jedoch aufwändige und teure Produktionsprozesse erforderlich.

Wissenschaftler der Fachgebiete Werkstoffe der Elektrotechnik (Hauke-Lars Honig, Dong Wang, Prof. Peter Schaaf) und Theoretische Physik I (Malte Grunert, Sebastian Bohm, Prof. Erich Runge) an der TU Ilmenau haben jetzt eine ressourceneffiziente und damit höchst attraktive Alternative für die Herstellung von Gold-Nanoantennen gefunden. Erstmals haben sie dafür poröse Gold-Nanopartikel, so genannte Gold-Nanoschwämme, und ihre innere Struktur detailliert untersucht. Auf Grundlage dieser Messungen haben sie ein Modell erstellt, mit dem ähnliche Schwammgeometrien automatisiert am Computer erstellt werden können. Dies ermöglicht eine noch tiefere Erforschung des Zusammenhangs zwischen Struktur und Eigenschaften.

Die experimentellen Messungen fanden am Zentrum für Mikro- und Nanotechnologie (ZMN) der TU Ilmenau statt. Mittels fokussierter Ionenstrahltomographie (Focused Ion Beam Tomography, kurz FIB) schnitten die Wissenschaftler einzelne Schwämme zunächst in viele Scheiben, die jeweils nur wenige Nanometer dick sind. Diese Scheiben tasteten sie mit Hilfe der Elektronenmikroskopie ab und setzten die so entstandenen Bilder zu einer 3D-Struktur zusammen.

Auf diese Weise konnten wir zum ersten Mal einen detaillierten Blick in einen Nanoschwamm werfen,

erklärt Malte Grunert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Theoretische Physik I.

Da jeder Nanoschwamm einzigartig ist, mussten die Wissenschaftler Dutzende von Schwämmen auf diese Weise aufzeichnen. Bereits in früheren theoretischen Arbeiten hatten die Wissenschaftler einfache Modelle verwendet, um die Geometrie von Nanoschwämmen darzustellen, es blieb jedoch unklar, inwiefern sich diese Ergebnisse auf reale Nanoschwämme anwenden ließen.

„So entstand die Hauptidee unserer Arbeit“, erklärt Malte Grunert: „Können wir einen anspruchsvolleren Algorithmus zur Geometrieerstellung entwickeln, der auf die experimentellen Ergebnisse abgestimmt ist? Im Idealfall, so unsere Idee, könnten wir damit eine ganze Bibliothek mit Hunderten von Schwämmen auf dem Computer erzeugen, um statistische Sicherheit bei unseren Simulationen zu erlangen.“

Von der Physik inspiriert

Nanoporöses Gold entsteht durch so genannte „spinodale Entmischung“. Die spinodale Entmischung in anderen Systemen wurde bereits in der Vergangenheit erfolgreich mit der so genannten Phasenfeldmethode modelliert. „Daher war es nur logisch, diese von der Physik inspirierte Methode auch an unseren Schwämmen zu testen“, so Malte Grunert. „Überraschenderweise ergaben bereits unsere ersten Versuche ‚schwammig‘ aussehende Partikel, was uns motivierte, unsere Methode weiter zu verfeinern. Für jede Iteration des Algorithmus berechneten wir die optischen Eigenschaften und verglichen sie mit dem Experiment. Denn da es unser Ziel war, ähnliche Schwammgeometrien zu erzeugen, sollten auch die optischen Eigenschaften ähnlich sein.“

Mit jeder Herausforderung, die die Wissenschaftler lösten, tauchte jedoch eine neue auf:

Einer der kritischsten Aspekte war es, eine exakte Oberfläche zu erzeugen, da sie für die optischen Eigenschaften der Nanoschwämme äußerst wichtig ist. Schließlich gelang es uns jedoch, einen zuverlässigen und einfachen, aber dennoch leistungsstarken Algorithmus zur Erzeugung der Geometrie zu finden.

Damit waren die Wissenschaftler wieder bei ihrer ursprünglichen Frage angelangt: Lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Struktur der Schwämme und ihren anregenden optischen Eigenschaften feststellen? „Mit unserem neuen Werkzeug ist das in der Tat möglich“, erklärt Malte Grunert. Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er eine Reihe globaler morphologischer Eigenschaften wie die Anzahl der Löcher und den Goldanteil in den Schwämmen ermittelt: „Wenn die mit unserem Algorithmus erzeugten Schwämme in diesen Eigenschaften mit denen der experimentell gemessenen Schwämme übereinstimmen, ergeben sich ähnliche optische Eigenschaften.“ Schließlich entdeckten die Wissenschaftler durch die FIB-Messungen, dass die Nanoschwämme tatsächlich anisotrop sind, das heißt nicht gleichmäßig „dick“: „Stattdessen sind sie an der Unterseite dicker, ein Effekt, den wir auf das Substrat zurückführen, auf dem sie bei der Herstellung liegen.“

Einfacher, aber leistungsstarker Algorithmus

Auf Basis dieser Entdeckungen gelang es den Wissenschaftlern, diese ungleichmäßige Dicke auch in den Algorithmus zur Geometrieerstellung zu implementieren, so dass jede erdenkliche strukturelle Anisotropie möglich ist. Solche Effekte werden zum Beispiel bei der plasmodischen Katalyse mit Gold-Nanoschwämmen basierten Hybrid Materialien vermutet, ein Forschungsgebiet, das noch in den Kinderschuhen steckt.

Mit ihrem neuartigen leistungsfähigen Algorithmus beginnen die Wissenschaftler nun, den Zusammenhang zwischen der ungeordneten Struktur der Schwämme und ihren faszinierenden Eigenschaften aufzudecken, zum Beispiel so genannte nichtlineare optische Effekte und plasmonische Katalyse. Darüber hinaus können die Methoden auch für die Untersuchung anderer poröser Materialien genutzt werden. Daher haben die Wissenschaftler die von ihnen entwickelten Algorithmen und die Codebasis öffentlich zugänglich gemacht.

Die Forschungen waren Teil des interdisziplinären DFG-Projekts „Tailored Disorder“ zwischen Werkstoffwissenschaftlern und theoretischen Physikern der TU Ilmenau und Experimentalphysikern der Universität Oldenburg.

Ihre Untersuchungen haben die Wissenschaftler in einem Artikel in Nature Communications Materials detailliert beschrieben: https://www.nature.com/articles/s43246-023-00346-7

Kontakt

Malte Grunert, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachgebiet Theoretische Physik 1

Tel.: 03677 693216, Mail:

Bild: PD Dr. Dong Wang und Hauke Honig bei der Arbeit: Mittels der Focus Ion Beam können die Schwämmchen in Scheiben geschnitten werden. Daraus ist es möglich, eine digitale Rekonstruktion zu erstellen. | © TU Ilmenau/Michael Reichel

Quelle: UNIonline: Wissenschaftler decken Geheimnis der inneren Struktur von Gold-Nanoschwämmen auf

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