Ilm-Kreis:

Menschen mit Behinderung sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Doch nach wie vor ist die Scheu oft groß. Viele fragen sich, wie gehe ich mit ihnen um? Darf ich Menschen auf ihr Handicap überhaupt ansprechen? Und ist das überhaupt der richtige Begriff dafür? Fragen über Fragen, die die Fachtagung „Inklusion im Arbeitsleben“ am 20. Mai in der Zeit von 14:30 bis 17:30 Uhr im Parkcafé Ilmenau aufgreift.

„Doch nicht nur an diesem Tag sollten wir unseren Umgang mit Menschen, die eine Behinderung haben, hinterfragen, über den eigenen Tellerrand schauen und die Welt mit anderen Augen sehen. Wie steht es mit der Barrierefreiheit in Restaurants, Arztpraxen oder am Arbeitsplatz? Sind Selbstbedienungsterminals wirklich so eingerichtet, dass sie von allen Menschen ohne Einschränkungen genutzt werden können? Viel ist in den vergangenen Jahren passiert, Barrieren wurden abgebaut, der Ilm-Kreis ist assistenzhundfreundlich, und das als erster Thüringer Landkreis. Doch noch immer ist viel zu tun, um Menschen mit Behinderungen zu integrieren, ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und Vorurteile abzubauen“, sagt Landrätin Petra Enders.

So wurde im Mai 2021 das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BSFG) verabschiedet, das Anbieter verpflichtet, bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten. Bis zum 28. Juni 2025 müssen sie umgesetzt werden. „Das ist ein wichtiger Schritt für die Gleichberechtigung. Auch im Ilm-Kreis müssen wir die Rechte von Menschen mit Behinderung stärken, das Wort ‚Inklusion‘ mit Leben erfüllen, soziale Kompetenzen fördern und Empathie entwickeln“, betont Landrätin Petra Enders.

Ein erster Schritt ist die Fachtagung für Inklusion. Sie wurde vom Ilm-Kreis, der Stadt Ilmenau, der Arbeitsagentur und dem Jobcenter initiiert und richtet sich nicht nur an Betroffene, sondern auch an Unternehmen.

„Von Gesetzes wegen darf niemand wegen seiner Behinderung oder anderer Einschränkungen benachteiligt werden. Es ist aber nicht nur gesetzliche, sondern auch unsere moralische Pflicht, so zu agieren. Verschiedene Verbände und Institutionen setzen sich für Teilhabe und das Menschenrecht Inklusion ein. Große Barrieren entstehen oftmals im Umfeld und beim Umgang der Gesellschaft mit Menschen, die eingeschränkte Fähigkeiten haben. Solidarität und Unterstützung müssen daher früh beginnen. Die frühkindliche Förderung, die integrative Schule, die Schaffung angemessener Ausbildungsplätze bis hin zur Inklusion im Arbeitsleben. Wie die Inklusion im Arbeitsleben gelingt, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt, wie sich der rechtliche Rahmen gestaltet und wie wichtig die Vorbildfunktion der Kommunen ist, sind Themen, an denen wir jeden Tag arbeiten müssen“, betont Oberbürgermeister Dr. Daniel Schultheiß.

Im Ilm-Kreis arbeiten 733 Menschen mit einer Schwerbehinderung in 230 Betrieben mit mindestens 20 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Ihre Zahl ist in den letzten Jahren stabil geblieben. Die meisten sind im Verarbeitenden Gewerbe, in der Verwaltung, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in Erziehung und Unterricht tätig. Nach dem Gesetz müssten beschäftigungspflichtige Unternehmen weitere 332 Menschen mit Behinderungen beschäftigen. Die Beschäftigungsquote liegt im Ilm-Kreis bei 3,7 Prozent und damit unter der gesetzlich vorgeschriebenen Quote von 5 Prozent. Bei privaten Arbeitgebern liegt sie nur bei 3,4 Prozent.

Mit steigendem Lebensalter steigt jedoch auch der Anteil der Arbeitslosen mit Behinderung. Drei von vier sind 45 Jahre und älter. Dass arbeitslose Menschen mit einer Schwerbehinderung gut qualifiziert sind, zeigen die Zahlen, denn drei von vier haben eine abgeschlossene Ausbildung. „Viele Unternehmen suchen händeringend gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Hier sollte die Scheu überwunden werden, denn Menschen mit Behinderungen arbeiten ebenso engagiert. Zudem entsteht eine große Vielfalt und Diversität in den Belegschaften, die nicht nur Ängste abbaut, sondern auch neue Ideen fördert“, betont Irena Michel, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Erfurt, und verweist auf die Unterstützungsmöglichkeiten. „Unternehmen, die Auszubildende oder Beschäftige mit einer Behinderung einstellen, können bei der Agentur für Arbeit Zuschüsse beantragen“, betont sie.

Aber auch im Wohnungssektor ist noch viel zu tun, um bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum zu schaffen. Im Bildungssektor kann Inklusion ebenfalls nur nachhaltig gelebt werden, wenn Lehrkräfte befähigt werden, Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in den Unterricht zu integrieren, sodass selbstbestimmtes Lernen möglich ist.

Ein schwerer Einschnitt ist für Menschen mit Behinderungen nicht zuletzt auch durch die Pandemie entstanden. Hier bieten digitale Kontaktmöglichkeiten sicher auch Chancen. Dennoch verfügen nicht alle Menschen mit Beeinträchtigungen über die entsprechenden Möglichkeiten oder Kenntnisse. Hier gilt es, diejenigen stärker zu unterstützen, die in ihrer sozialen Teilhabe am stärksten bedroht sind.

Bild: Inklusion in der Arbeitswelt | © istockphoto/Tera Vector

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