Regionalmanagement Thüringer Bogen:

Als Helene Caspari und Elisabeth Kleemann vor mehr als einem Jahrhundert in Wandersleben ihr Landkochbuch auflegten, hatten sie konkrete Adressaten vor Augen: Die Schülerinnen der Haushaltungsschule im Dorf. Sie wollten ihnen „ein geeignetes Kochbuch zusammenstellen, welches in erster Linie unsere jahrelang erprobten Rezepte in ausführlicher, leicht verständlicher Fassung erhält“, wie es im Vorwort zur Erstausgabe 1913 zu lesen ist. Und die Autorinnen fügten an, dass die Verwertung der landwirtschaftlichen Produkte besondere Berücksichtigung fand. Somit entstand vor allem ein Werk, das sich regionaler Küche verpflichtet fühlt. Dass eben dieses Kochbuch genau 109 Jahre später ausschlaggebend für ein neues Projekt in Wandersleben werden würde, konnten die Damen beim besten Willen nicht wissen.

Jaqueline Kornhaas, Jugendsozialarbeiterin in der Gemeinde Drei Gleichen, jedenfalls bekam das Buch in die Hände, blätterte darin herum, stieß auf interessante Küchenkniffe und verheißungsvolle Rezepte und befand, heute können damit allenfalls Seniorinnen etwas anfangen. Und weil das schade ist, kam die Jugendsozialarbeiterin auf die Idee, Jung und Alt zusammenzubringen, um dieses Wissen zu erhalten. Damit war zumindest der Gedanke für ein Projekt in der Welt, das rasch an Umfang zunahm. Weil Jaqueline Kornhaas gemeinsam mit Gothas Streetworkerin Angela Gräser, die in Wandersleben wohnt, schon einige Projekte auf die Beine gestellt hat, tüftelten beide an einem schlüssigen Konzept. Schließlich ging die Jugendsozialarbeiterin mit der Mitarbeiterin vom Kreisjugendring Gotha eine Kooperation ein. Im Ergebnis treffen sich unter dem Titel „Generationen lernen“ künftig regelmäßig Jugendliche und Senioren im Soziokulturellen Zentrum in Wandersleben. „Dort sollen die Jungen von der älteren Generation lernen, was in Zeiten von Fastfood und Fertiggerichten längst nicht mehr Allgemeingut ist“, sagt Kornhaas. Dabei sollen sie nicht nur gemeinsam kochen und anschließend alle gemeinsam beim Essen am Tisch sitzen, sondern die junge Generation soll lernen, wie man vor dem Einkauf berechnet, welche Mengen gebraucht werden und wie anschließend klug und vor allem sparsam eingekauft wird. „Im Gegenzug sollen die Seniorinnen und Senioren von den Jugendlichen den Umgang mit sozialen Medien erfahren und die Scheu vor Computer und Internet verlieren“, erklärt Angela Gräser.

Nachdem der Projektantrag für Fördermittel mehrfach modifiziert werden musste, kam kürzlich die Bestätigung, dass vom Land 70 Prozent der erforderlichen Summe zur Verfügung gestellt wird. Erfreulich, dass die Gemeinde Drei Gleichen die restlichen 30 Prozent beisteuert. Für Bürgermeister Jens Löffler ein wichtiges Projekt. „Gerade nach Corona kann dadurch in unserer Gemeinde geholfen werden, das dörfliche Leben wieder zu normalisieren“, betont er. Und er sieht darin eine praktikable Möglichkeit, Vorurteile zwischen den Generationen abzubauen.

Mit der Sicherheit gewährter Fördergelder fand Ende April das erste Treffen im Soziokulturellen Zentrum in Wandersleben statt, mit erfreulicher Resonanz. Die jungen und nicht mehr ganz so jungen Teilnehmer zeigten keinerlei Berührungsängste. Von Jaqueline Kornhaas bereitgestellte Spiele wurden von den Kindern gleich in Beschlag genommen. Die ältere Generation vertiefte sich umgehend in eine Diskussion darüber, welche weiteren Möglichkeiten das Projekt bietet. Der Bau von Hochbeeten kam ins Spiel, um frisches Gemüse selbst zu ziehen, vor allem Sorten, die vom Handel kaum noch geführt werden. Rita Geißler, ehemalige Lehrerin an der Wanderslebener Schule, bot gleich ein Stück in ihrem Garten an, dass die Kinder nach Herzenslust bearbeiten können.

Um noch mehr Teilnehmer zu mobilisieren, wollen Kornhaas und Gläser das Gespräch mit Senioren und Familien im Ort führen, fest davon überzeugt, dass dieses der erfolgversprechende Weg ist. Besonders die Bewohner des AWO Seniorenheims wollen die Organisatoren einbinden. Jedenfalls ist der erste Schritt getan, in Wandersleben eine Gemeinschaft wachsen zu lassen, die das Dorf und den Einzelnen reicher machen kann.

Bild: Bürgermeister Jens Löffler freut sich über das neue Projekt in seiner Gemeinde Drei Gleichen. Er hofft, dass dadurch nach Corona das Leben im Dorf neuen Schwung erhält. Hier steht er ganz links mit den Teilnehmern der ersten Veranstaltung vorm Soziokulturellen Zentrum in Wandersleben. | © Klaus-Dieter Simmen

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