TU Ilmenau:

Mit immer mehr Schadholz und klimabedingt aufgeweichten Böden strapazieren die Holzernte und der Holztransport mit schweren Maschinen und Fahrzeugen die Waldwege zunehmend. Um den Aufwand für ihre Instandsetzung zu optimieren, hat ein Forschungsteam der TU Ilmenau gemeinsam mit der FH Erfurt und fünf Praxispartnern im Projekt Contura ein optisch basiertes System zur Erfassung des Zustands von Waldwegen entwickelt. Das multimodale 3D-Kamera-System ermöglicht es, die Beschaffenheit von Forstwegen anhand von Befahrungsdaten sensorgestützt objektiv zu bewerten und Waldböden ressourcensparend zu erhalten.

Forststraßen erlauben den Zugang zu unseren Wäldern. Damit die Waldwege entsprechend der Grundsätze nachhaltiger Forstwirtschaft multifunktional genutzt werden können, müssen sie gepflegt werden. Waldwege instand zu halten, ist jedoch teuer und angesichts des gesteigerten Schadholzaufkommens der vergangenen Jahre deutlich aufwändiger geworden. Allein die durch den Borkenkäfer verursachten Schäden an Fichten im Thüringer Wald sind so hoch wie nie zuvor: Laut Landesforstanstalt sind im vergangenen Jahr rund sechs Millionen Festmeter Schadholz angefallen. Damit sich die Schädlinge nicht auf gesunde Bäume ausbreiten, müssen die befallenen Bäume möglichst schnell gefällt und das Holz abtransportiert werden.

„Die beste Zeit für die Holzernte und den Abtransport von Rohholz ist normalerweise der Winter, wenn die Waldböden gefroren und die Forstwege besonders tragfähig sind, wodurch sie sowohl den Forstmaschinen als auch den für die Bedingungen des öffentlichen Straßenverkehrs ausgelegten Holztransport-LKW standhalten können“, erklärt Prof. Notni, Leiter des Fachgebiets Qualitätssicherung und Industrielle Bildverarbeitung, der das Projekt Contura an der TU Ilmenau leitet. Durch die klimabedingt milden Temperaturen und den vermehrten Regen im Winter sind die Waldböden und Wege jedoch häufig schon frühzeitig aufgeweicht.

Wer mit offenen Augen durch den Wald geht, sieht, dass die schweren Forstmaschinen oft tiefe Spuren auf den Waldwegen hinterlassen.

Solche Schäden, aber auch unkontrollierter Bewuchs oder anderweitige punktuelle Schäden können es schwierig bis unmöglich machen, die Wege zu nutzen – ob für den Holztransport, für Spaziergänge oder für Rettungsfahrzeuge.

„Anders als beispielsweise bei Schäden an Autobahnen gab es bislang noch kein wirtschaftlich einsetzbares System, das solche Schäden an Waldwegen in einer Art digitaler Karte erfasst“, so Notni. Ein solches System, mit dem Forstbetriebe automatisiert den Zustand von Wegekörper, Grabenbereich und Lichtraum im Wald erfassen und Maßnahmen und Kosten zur Erhaltung der Wege ableiten können, hat die TU Ilmenau jetzt im Rahmen eines Verbundprojekts gemeinsam mit der Fachhochschule Erfurt und fünf Praxispartnern entwickelt.

Ziel: Digitale Tiefenkarten der Waldwege

Das im Rahmen des Contura-Projekts an der TU Ilmenau entwickelte, komplexe multimodale 3D-Sensorsystem besteht aus mehreren Stereokameras und so genannten Time-of-Flight-Kameras (ToF), die auf ein Fahrzeug montiert werden und auf Basis von Lichtimpulsen die Entfernung zu den Objekten messen. Kombiniert werden sie mit hochauflösenden Farbkameras. Auf diese Weise können schon beim Befahren des Waldes unterschiedlichste Merkmale der Waldwege und ihrer Umgebung in 3D erfasst, in einem Datensatz gespeichert und Tiefenkarten der Waldwege erstellt werden: „Außer dem Zustand der Fahrbahn selbst kann das System so beispielsweise auch die Breite des Waldtraufes, die Beschaffenheit der Gräben am Wegesrand, die das Wasser ableiten, die Böschungen und den Raum über dem Weg, der von Bewuchs freigehalten werden muss, erfassen und als digitalen Zwilling bereitstellen“, erklärt Prof. Notni:

Das heißt wir sehen: Wie tief sind die Furchen in den Forstwegen? Ist störender Bewuchs da? Ragen beispielsweise Äste in den Weg hinein, die weggeschnitten werden müssen, oder liegen Stammreste im Graben?

Mit Hilfe einer von der HD Vision GmbH entwickelten lernfähigen Software (KI) können die so erfassten Daten und Schäden anschließend bewertet und Schadensklassen zugeordnet werden. „So können Waldbesitzende und Forstbetriebe die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen und deren Kosten besser planen, kalkulieren und frühzeitig kostensenkend veranlassen“, erläutert TU Ilmenau-Projektkoordinator Raik Illmann: „Gleichzeitig werden die erfassten 3D-Daten dabei stark komprimiert und erlauben so eine zügige webbasierte Anzeige.“

Zusätzliche Sensoren für schwankende Lichtbedingungen

Die Entwicklung des Systems war jedoch zunächst mit einigen Herausforderungen verbunden, so Prof. Notni:

Unter konstanten Bedingungen lassen sich solche Sensoren gut miteinander synchronisieren. Doch nicht nur versehentlich miterfasste Vegetation kann das Profil des Weges verfälschen.

Auch mussten die 3D-Sensoren wegen der unebenen Wege besonders stabil am Fahrzeug angebracht und einkalibriert werden: „Wenn beispielsweise die Blickrichtung aufgrund der Schwankungen nicht mehr gestimmt hat, mussten wir die Bilddaten verwerfen. Auch die unterschiedlichen Lichtbedingungen mussten wir beachten: Mal ist man im Schatten, mal in der Sonne. Das ist für eine Bildaufnahme sehr herausfordernd.“ Diese Herausforderung haben die Wissenschaftler gelöst, indem sie für die Stereobildaufnahme zusätzliche photometrische Sensoren angebracht haben, die während der Fahrt die Helligkeit vor dem Fahrzeug messen, so dass die Belichtungszeiten der Kamera entsprechend angepasst werden können.

Folgeprojekt zur Bestimmung der Vegetation am Wegesrand geplant

Aktuell beschäftigen sich die Forschenden am Fachgebiet nun bereits mit der Frage, inwiefern sich die gewonnenen Erkenntnisse auch auf Radwege und spezielle ländliche Wege übertragen lassen. In einem Folgeprojekt zur Biodiversität möchten sie außerdem gemeinsam mit dem Fachgebiet Data-intensive Systems and Visualization Group (dAI.SY) ein System zur Bestimmung der Vegetation am Wegesrand entwickeln, um einen Beitrag zum Naturschutz zu leisten.

Unser Ziel ist es, der Forstwirtschaft künftig auch Informationen darüber bereitzustellen, was genau da am Wegesrand wächst und welche Bereiche des Weges gegebenenfalls besonders sensibel behandelt werden müssen, weil dort schützenswerte Pflanzen stehen.

Das Projekt Contura wird durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert.

Kontakt

Prof. Gunther Notni, Leiter Fachgebiet Qualitätssicherung und industrielle Bildverarbeitung (QBV)

Tel.: 03677 69-3820, Mail:

Bild: Das im Contura-Projekt entwickelte multimodale 3D-Sensorsystem besteht aus mehreren Stereokameras und so genannten Time-of-Flight-Kameras (ToF), die mit hochauflösenden Farbkameras kombiniert werden. | © TU Ilmenau/Studio 17

Quelle: UNIonline: Internationaler Tag des Waldes: Kamerasystem hilft Waldwege ressourcensparend instand zu halten

>> ZURÜCK