TU Ilmenau:

Ob beim autonomen Fahren, an Flughäfen, im maritimen Bereich oder bei Drohnenflügen – eine TAB Forschergruppe des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS mit der Abteilung Elektronische Messtechnik und Signalverarbeitung EMS und dem gleichnamigen Fachgebiet an der TU Ilmenau möchte Signalübertragung von Navigationssatelliten wie GPS oder Galileo weniger anfällig für Störungen machen. Im Forschungsprojekt „HyLoC – Hybrid Low-Cost Multiantennen GNSS Empfänger“ haben die Wissenschaftler einen energieeffizienten und handlichen Mehrkanalsignalempfänger konstruiert, der in Navigationssysteme integriert werden kann und bald zum Standard einer Autoausstattung gehören soll.

„GPS-Signale sind extrem störanfällig“, weiß Christoph Wagner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Elektronische Messtechnik und Signalverarbeitung und HyLoC-Projektleiter. Gerade im Straßenverkehr wird es für Autofahrer zum Problem, wenn ihr Navigationsgerät plötzlich keine Informationen zum Fahrweg liefern kann. Der Grund für die Störanfälligkeit dieser Navigationssysteme liegt in der geringen Leistung der Navigationssignale vom Satelliten. Durch deren Auswertung am GNSS-Empfänger – kurz für Globales Navigationssatellitensystem, zu denen GPS, GLONASS, Galileo oder Beidou zählen – wird es dem Navigationssystem ermöglicht, die Position des Autos exakt zu bestimmen. Befinden sich jedoch verschiedene Funksysteme im Auto, kann beispielsweise das Smartphone eine Störung dieses empfindlichen Signals auslösen. Auch mobile und preiswerte Störsender, so genannte Jammer oder Spoofer, werden häufig eingesetzt, um Navigationssysteme aktiv zu täuschen. Da sich diese jedoch auf die Navigationsysteme aller Fahrzeuge in der unmittelbaren Umgebung auswirken, stellen sie ein besonders gravierendes Sicherheitsrisiko im autonomen Straßen-, Flug- oder Schiffverkehr dar.

Störerunterdrückungssysteme für den Consumer Markt

Um Störungen wie diese zu umgehen, weichen Betreiber kritischer Infrastruktur, wie Flughäfen oder andere Behörden mit hoheitlichen Aufgaben, auf kostenintensive und zum Teil sehr große Störerunterdrückungssysteme aus. Diese Geräte sind mit bis zu sechs Empfangskanälen ausgestattet und können über diese richtungsabhängig sowohl die Signale der verschiedenen GNSS-Satelliten verstärken als auch unerwünschte Störsignale mittels herbeigeführter Auslöschung (Interferenz) gezielt unterdrücken. Große Nachteile der Systeme sind jedoch ihre hohe Komplexität, hohe Kosten und ein hoher Energieverbrauch. Die Wissenschaftler des Fraunhofer IIS in Ilmenau und der TU Ilmenau haben sich im HyLoC-Projekt das Ziel gesetzt, eine handliche Variante eines Mehrantennenempfängers für den Consumer Markt zu entwickeln. Die Geräte sollen in Zukunft in jedes Navigationsgerät leicht integriert werden können und zum Standard einer Autoausstattung gehören, wie Christoph Wagner sagt: „Wir wollen sehr kleine Mehrkanalempfänger bauen, die wenig Energie verbrauchen und Störer ausreichend unterdrücken. Damit lösen wir, für jeden zugänglich, das Problem der Signalstörung, kostengünstig und massenmarkttauglich.“

Hohe Sicherheit beim vollautonatisierten Fahren

Nach zweieinhalb Jahren Projektlaufzeit ist es der Forschergruppe gelungen, die Größe eines Mehrkanalempfängers bei gleicher Leistung drastisch zu reduzieren, sodass das Gerät nun auf eine Handfläche passt. In einem Labor emulierten die Wissenschaftler eine virtuelle Störumgebung und testeten die Mehrkanalempfänger erfolgreich in verschiedenen Anwendungsszenarien. In regelmäßig stattfindenden Workshops unterstützte ein Industriebeirat, bestehend aus der MetraLabs GmbH, Mercedes-Benz AG, Robert Bosch GmbH, Funkwerk AG sowie der EPAK GmbH, die Forschergruppe dabei, einen möglichst anwendungsnahen und industrierelevanten Kurs einzuschlagen.

In Nachfolgeprojekten wollen die Wissenschaftler den Mehrkanalempfänger weiterentwickeln und in Chips integrieren, die in handelsüblichen GNSS-Empfängern eingebaut werden sollen. Abschließend soll ein Demonstrator in Praxistests die Wirksamkeit des Geräts belegen. Dr. Markus Landmann, HyLoC-Projektkoordinator am Fraunhofer IIS und EMS Abteilungsleiter, sieht großes Potenzial des in Ilmenau entwickelten Produkts für verschiedenste Anwendungen, zum Beispiel im Schiffsverkehr oder bei Flugdrohnen, die auch zum Ausliefern von Paketen zum Einsatz kommen sollen, insbesondere aber für das autonome Fahren: „Das vollautomatisierte Fahren stellt extrem hohe Sicherheitsanforderungen an GNSS-Empfänger. Die Position eines Fahrzeugs muss für das Level 5 autonome Fahren sicher und präzise bestimmt werden, Störsignale gefährden den Verkehr. Mit unserer Forschung wollen wir dazu beitragen, ein sicheres und reibungsloses autonomes Fahren zu ermöglichen.“

Die Forschergruppe HyLoC wurde gefördert durch den Freistaat Thüringen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds unter dem Kennzeichen 2019 FGR 0100.

Kontakt

Dr. Markus Landmann, Abteilungsleiter der Forschergruppe Elektronische Messtechnik und Signalverarbeitung EMS

Tel.: 03677 694297, Mail:

Bild: Christoph Wagner, HyLoC-Projektleiter, und Prof. Giovanni Del Galdo, Leiter des Fachgebiets Elektronische Messtechnik und Signalverarbeitung, wollen mit ihrer Forschung ein sicheres autonomes Fahren ermöglichen. | © TU Ilmenau/Eleonora Hamburg

Quelle: UNIonline: Wissenschaftler entwickeln störsicheren und kostengünstigen Navigationsempfänger für autonomes Fahren

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